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Plan der EU für den Umgang mit Flüchtlingen steht: Alle in Lagern internieren

Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt vom 30.06.2018)

Solidarität untereinander kriegen die EU-Staaten nicht mehr hin, aber gegen die Schwächsten können sie sich noch verbünden: Das wesentliche Ergebnis des EU-Asylgipfels besteht darin, zur Abwehr von Flüchtlingen ein komplexes System aus Zäunen und Lagern zu errichten. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl spricht von einem »Anschlag auf das Recht auf Asyl und die Europäische Menschenrechtskonvention«.

Nachdem sich die zerstrittenen Staats- und Regierungschefs die Nacht zum Freitag um die Ohren geschlagen hatten, wurde als wesentliches Ergebnis der Beratungen verkündet, sogenannte Ausschiffungsplattformen (»disembarkation platforms«) in Drittstaaten zu schaffen, in die Flüchtlinge, die im Mittelmeer aufgegriffen wurden, zurückgeschoben werden sollen. Die Europäische Kommission soll hierfür zügig ein Konzept entwickeln. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) haben bereits ihre Mitwirkung zugesagt. Beide halten es für möglich und legal, aus Seenot gerettete Menschen »notfalls« auch in Lagern außerhalb der EU unterzubringen, um dann dort über ihren Asylantrag zu entscheiden.

In diesem Kontext will die EU die Kooperation mit der sogenannten libyschen Küstenwache weiter ausbauen. Deren Arbeit, so appelliert das Staatenbündnis in größtmöglichem Zynismus, dürfe man »nicht stören« – der Wink geht eindeutig in Richtung der zivilen Rettungsorganisationen, die Flüchtlinge vor dem Zugriff dieser kriminellen Truppe zu bewahren versuchen. Menschen, die von ihr aufgegriffen werden, werden schon seit langem in Lager gesteckt, in denen es regelmäßig zu Misshandlungen, Vergewaltigungen und gar Erschießungen kommt. Diplomaten des Auswärtigen Amts nannten die Bedingungen in diesen Lagern »KZ-ähnlich.«

Bislang hat sich zwar kein Staat außerhalb der EU zur Einrichtung solcher »Ausschiffungsplattformen« bereitgefunden, aber als Plan B beschlossen die EU-Staaten außerdem, »auf freiwilliger Basis« sogenannte kontrollierte Zentren innerhalb der EU zu errichten, in denen ein Mitgliedsstaat Asylsuchende auf seinem Territorium unterbringen kann. Details hierzu wurden nicht einmal ansatzweise beschlossen, so dass letztlich die Mitgliedstaaten selbst über die Ausgestaltung dieser Lager entscheiden können. Es lässt sich leicht ausmalen, welchen Charakter sie etwa in Ungarn annehmen werden – oder in Italien, dessen Innenminister Matteo Salvini (Lega) erkennbar in faschistischer Tradition steht.

Die Grenzschutzagentur Frontex soll zudem aufgerüstet werden und ein erweitertes Mandat erhalten. Dem türkischen Diktator Recep Tayyip Erdogan wurden weitere drei Milliarden Euro zugesagt, damit er Flüchtlinge aus der EU fernhält. Zur Dublin-Regelung bzw. der »Sekundärmigration« von Asylsuchenden in andere EU-Länder, die CSU-Innenminister Horst Seehofer zu einem verbissenen Streit mit der Bundeskanzlerin motiviert hat, beschlossen die EU-Staaten in eher allgemeiner Form, die Mitgliedstaaten »sollten alle erforderlichen internen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen« hiergegen treffen. Seehofer verweigerte am Freitag jede Stellungnahme zu den Gipfelergebnissen.

Scharfe Kritik äußerte Pro-Asyl-Chef Günter Burkhardt. Die EU schaffe »Zonen der Rechtlosigkeit« und »Lager der Hoffnungslosigkeit«. Die Kofraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag Sahra Wagenknecht sprach von einer »Bankrotterklärung der Humanität«.