Grußwort zur Konferenz „Kurden in Deutschland. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven für Gleichstellung“ am 9. September 2009 in Berlin

Schon von daher habe ich mich seit den 80er Jahren mit der kurdischen Frage beschäftigt und mehrfach die kurdischen Gebiete besucht. Anfang der 90er Jahre dokumentierten wir als Menschenrechtsdelegation den Einsatz von Panzern aus Deutschland gegen kurdische Zivilisten in der Türkei. So gelang es uns vorübergehend, eine Einstellung der deutschen Waffenlieferungen durchzusetzen. Doch bekanntlich werden heute wieder massiv Waffen aus Deutschland an die Türkische Armee geliefert, darunter die 300 Leopard II-Panzer, deren Verkauf noch unter der SPD-Grünen-Regierung vereinbart worden war. Solche Rüstungsgeschäfte mit Staaten, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken und ihre Nachbarvölker bedrohen und überfallen, müssen endlich gestoppt werden!

Nicht nur durch die Militärhilfe ist Deutschland Kriegspartei im Kurdistan-Konflikt. Aufgrund des seit 16 Jahren geltenden PKK-Verbots wurden Tausende Kurdinnen und Kurden festgenommen und verurteilt, weil sie ihre Sympathie mit dem Freiheitskampf in Kurdistan ausdrückten.

Die Verfolgung der kurdischen Bewegung erwies sich als ein Schrittmacher beim Abbau demokratischer Grundrechte auch für andere Bevölkerungsgruppen und dem immer weitergehenden Aufbau eines Überwachungsstaates in Deutschland.

In der Türkei hat endlich eine Debatte über die kurdische Frage begonnen. Zwar bezweifle ich angesichts der vom Militär gezogenen „roten Linien“, dass es der türkischen Regierung tatsächlich um eine demokratische Lösung unter Einbeziehung der kurdischen Seite geht. Doch schon die öffentliche Diskussion ist ein Fortschritt nach 85 Jahren Verleugnung und Zwangsassimilierung der kurdischen Bevölkerung.

Dieser Versuch eines Dialogs ist leider in Deutschland noch nicht zu spüren. Weiterhin werden Kurden hier von staatlicher Seite entweder ignoriert oder als Sicherheitsproblem verstanden.

In Deutschland muss die eigenständige kurdische Sprache und Kultur mit allen notwendigen Folgen für eine gezielte Integrationspolitik der kurdischen Bevölkerungsgruppe anerkannt werden. Kurdische Vereine müssen in gleichem Masse Zugang zu öffentlichen Fördermitteln erhalten wie andere migrantische Selbstorganisationen. Wir brauchen einen Abschiebestopp in die Türkei, den Irak, Iran und Syrien sowie ein gesichertes Aufenthaltsrecht für die hier lebenden Flüchtlinge. Insbesondere muss die Kriminalisierung politisch aktiver Kurdinnen und Kurden in Deutschland beendet und das PKK-Verbot aufgehoben werden.

Ich wünsche mir weiterhin gute Zusammenarbeit mit den kurdischen Verbänden in Deutschland – nicht nur für eine Friedenslösung in Kurdistan, sondern auch für soziale Gerechtigkeit und demokratische Grundrechte in Deutschland, gegen Neofaschisten und gegen Bundeswehr-Kriegseinsätze. Ich habe mich daher sehr gefreut, dass sich bei unserer Demonstration gegen Neofaschisten in Dortmund am vergangenen Wochenende auch zahlreiche Kurdinnen und Kurden beteiligt haben. So sollte es in Zukunft immer sein.

Ich wünsche Eurer Konferenz ein gutes Gelingen.

mit freundlichen Grüßen,

Ulla Jelpke