Rede im Bundestag: Neues Personalausweisgesetz nützt nicht der Sicherheit, aber schadet der Freiheit

Rede zu TOP 15 der 100. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages (zu Protokoll)

Neues Personalausweisgesetz nützt nicht der Sicherheit, aber schadet der Freiheit

abschließende Beratung des „Gesetzes zur Änderung des Personalausweisgesetzes zur Einführung eines Ersatz-Personalausweises und zur Änderung des Passgesetzes“,

Drs. 18/3831, 18/4280

 

die Bundesregierung will die Möglichkeit schaffen, deutschen Staatsbürgern den Personalausweis zu entziehen. Zur Begründung erklärt sie, damit sollten mutmaßliche Djihadisten gehindert werden, sich dem sog. Islamischen Staat anzuschließen.

Kein Zweifel: Der Islamische Staat ist eine abscheuliche Terrororganisation, der man die Rekrutierung neuer Kämpfer so schwer wie möglich machen muss. Und zwar rechtsstaatlich – genau daran hapert es aber. DIE LINKE hält das Gesetzesvorhaben für erstens untauglich, weil es nichts nützen wird, und zweitens für unverhältnismäßig, weil es Bürger auf Verdacht hin einer hohen Stigmatisierung aussetzt.

 

Es ist ja bisher schon möglich, den Reisepass zu entziehen und eine Ausreiseuntersagung in der Grenzfahndungsdatei zu speichern. Wenn Sie jetzt behaupten, das genüge nicht, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie das belegen. Das können Sie aber nicht, weil diese Maßnahmen überhaupt nicht erfasst werden. Ohne solide Faktenbasis, sagen wir, darf man solche freiheitseinschränkenden Gesetze aber nicht machen.

Auf eine Kleine Anfrage der LINKEN hat die Bundesregierung mitgeteilt, in den letzten drei Jahren seien 20 Fälle bekannt geworden, in denen jemand trotz Reiseverbotes ausgereist sei. Das mögen 20 Fälle zu viel sein, aber ich habe starke Zweifel, dass diese Zahl angesichts von 3000 EU-Bürgern, die beim IS mitkämpfen, ein solches Gesetz rechtfertigt. Zumal schon sehr fraglich ist, ob diese 20 Ausreisen mit dem jetzt geplanten Gesetz hätten verhindert werden können. Wer unbedingt zum IS will, lässt sich daran doch nicht durch einen Sperrvermerk in einem Ersatzausweis hindern.

 

Auf das hohe Stigmatisierungspotential haben auch die Experten in der Anhörung hingewiesen: Wer einen solchen Ausweis vorlegt, outet sich damit zwangsläufig als Terrorverdächtiger. Der Schalterbeamte bei der Post, der neue Vermieter, der Bankangestellte und wo man sich sonst noch ausweisen muss: Alle erfahren, dass der Inhaber des Ausweises vom Staat als mutmaßlicher Djihadist angesehen wird. Das ist aber überhaupt nicht zu rechtfertigen.

 

Den Ersatzausweis soll jeder bekommen, der mutmaßlich eine rechtswidrige Gewaltanwendung „unterstützt oder vorsätzlich hervorruft“, heißt es im Entwurf. Auch das wurde bei der Anhörung als viel zu unbestimmt kritisiert. Was soll denn das Hervorrufen einer Gewaltanwendung sein? Dazu fehlt jede Definition, so dass hier erhebliche Willkür ermöglicht wird.

DIE LINKE befürchtet zudem, dass die Möglichkeiten, die den Behörden hier gegeben werden, sich nicht auf Djihadisten beschränken müssen. Das Bundesinnenministerium hat ja schon mitgeteilt, dass es zum Beispiel Kurden, die gegen (!) den IS kämpfen wollen, für genau so schlimm hält. Als nächstes lässt man sich vielleicht einfallen, linken Globalisierungsgegnern die Ausreise zu einem G7-Gipfel im Ausland zu verbieten.

 

Dieses Gesetzesprojekt nützt unserer Sicherheit nichts, und unseren Freiheitsrechten schadet es bloß. Also ziehen Sie es lieber zurück, ehe es vom Verfassungsgericht gekippt wird.