Bundeswehrwerbung

Militarisierung auf den Schulhöfen

Gastkommentar von Ulla Jelpke 
 
(erschienen am 14.04.2015 in der jungen Welt)
 

Nach der Aussetzung der Wehrpflicht und Umstellung der Bundeswehr auf eine Berufsarmee von Spezialisten steht die Truppe heute vor einem Rekrutierungsproblem. Denn das Kriegshandwerk ist zum Glück nicht attraktiv.

Schließlich muss ein Bundeswehrsoldat heute damit rechnen, im Auslandseinsatz zur Sicherung von Märkten und Rohstoffen sein Leben zu riskieren. Zumindest aber muss er bereit sein, das Leben anderer – zu Feinden erklärter – Menschen zu opfern. Die Zuspitzung der Situation in der Ukraine bei medialer Pflege des Feindbilds Russland hat zudem für viele Menschen die Kriegsgefahr – und die mit dem Soldatenhandwerk verbundenen Risiken – wieder ins Bewusstsein gebracht.

Berichte über Missstände bei der Truppe, Gewalt- und Ekelrituale tun ihr Übriges, um den Arbeitsplatz Bundeswehr in wenig attraktivem Licht erscheinen zu lassen. Nur solche jungen Menschen, die etwa in strukturschwachen Regionen im Osten Deutschlands gar keine andere Ausbildungs- oder Berufsoption für sich sehen, entscheiden sich noch für eine Karriere bei den Streitkräften.

 Um trotz Personalnot ihre Reihen mit motivierten Freiwilligen zu füllen, setzt die Bundeswehr auf Imagepflege. Die Reklamestrategie ist einfach: Jugendliche sollen einen guten Eindruck von der Bundeswehr bekommen. Wenn sie sich dann erst einmal langjährig verpflichtet haben und die unter Umständen blutige Realität kennenlernen, ist es für einen Rücktritt zu spät. Denn ordentliche Kündigungsmöglichkeiten wie in anderen Jobs gelten für Soldaten kaum.

Im Mittelpunkt dieser Werbeoffensive stehen die Schulen, wo die Bundeswehr trotz sinkender Schülerzahlen ihre Präsenz auf Jobmessen und Berufsbildungstagen im vergangenen Jahr abermals deutlich gesteigert hat. Mehrere hunderttausend Jugendliche wurden so über die fragwürdigen Vorzüge des Militärs unterrichtet. Während es Aufgabe von Bundeswehr-Karriereberatern ist, die Truppe als vermeintlich attraktiven Arbeitgeber darzustellen, werben Jugendoffiziere für die politische Legitimität der Bundeswehr und ihrer Einsätze. Auch die Lehrkörper stehen als Multiplikatoren im Fokus der Jugendoffiziere. Referendare und Lehrer werden auf Fortbildungsveranstaltungen mit vermeintlich objektivem Wissen versehen, dass sie an ihre Schüler vermitteln sollen. Der Verpflichtung zu neutralen Bildungsangeboten wird solch militärisch eingebetteter Unterricht nicht gerecht.

Die hohe Intensität der militärischen Werbung läuft auf eine weitere Militarisierung der Gesellschaft hinaus. Militärische Indoktrination und Werbung für eine militarisierte Außenpolitik haben auf Schulhöfen und in Klassenzimmern nichts zu suchen. Schulhöfe und Klassenzimmer dürfen keine Rekrutierungsbüros, sie sollten vielmehr Orte friedenspolitischer Diskussion sein.