Kommentar: In Schranken gewiesen

Die Geschichte der beiden ist exem­plarisch für die Wucht, mit der im Jahr 2007 der deutsche Repressionsapparat linke Proteste gegen das Treffen der Welt-Ausbeuterelite verhindern wollte. Im Auto der Männer hatten Transparente gelegen, die »Freiheit für alle Gefangenen« forderten. Das war eine direkte Reaktion auf die damaligen Massenfestnahmen. Die Polizei schlußfolgerte daraus, die beiden hätten die Absicht, Straftaten zu begehen und müßten deswegen vorbeugend ins Gefängnis. Die deutschen Gerichtsinstanzen folgten dem brav, obwohl sie selbst nicht wußten, was den Inhaftierten eigentlich vorzuwerfen war. Wollten sie etwa das nächstbeste Gefängnis stürmen oder in Heiligendamm andere dazu anstacheln? Zu solchen Spekulationen merkten die Europarichter süffisant an: »Der Gerichtshof nahm zur Kenntnis, daß die deutschen Gerichte unterschiedlicher Auffassung waren, welche Straftat die Beschwerdeführer im Begriff seien zu begehen«. Er selbst sei »nicht davon überzeugt, daß der Gewahrsam überhaupt notwendig war.« Die Demonstranten hatten keine Waffen dabei, sondern Transparente mit politischen Forderungen, die ein stark diskutiertes Thema betrafen – in einer Demokratie sollte das kein Grund sein, festgenommen zu werden.

Man erinnere sich an die anderen staatlichen Übergriffe von damals: Die linke Szene war im Vorfeld des Gipfels mit Razzien überzogen worden – weil sie angeblich »terroristische Vereinigungen« gebildet hatte (während Nazibanden vom Staat gedeckt und gesponsert wurden). Bundeswehr und Polizei sicherten ein mehrtägiges Demonstrationsverbot.

Der kombinierte Militär- und Polizeieinsatz war ein großes Experiment für ein Notstandsregime, das allerdings partiell scheiterte, weil sich Zehntausende dem staatlichen Allmachtsanspruch widersetzt und ihr Demonstrationsrecht erkämpft hatten. Der Gang vor die Gerichte kann das nicht ersetzen, aber taktisch hilfreich sein, wie sich jetzt zeigt. Das Strasbourger Urteil könnte dazu beitragen, die Fanatiker des Überwachungsstaates ein wenig in die Schranken zu weisen. Nötig wäre es: Eben erst hat der neue SPD-CDU-Senat in Berlin beschlossen, den dort bislang auf zwei Tage beschränkten Unterbindungsgewahrsam zu verdoppeln.