Bundesregierung verweigert Antworten auf V-Leute-Praxis

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Wir kommen nun zu Frage 20 der
Kollegin Jelpke:

Wie viele V-Leute sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz,
BfV, durchschnittlich in den letzten fünf Jahren in der
extrem rechten Szene geführt worden (bitte pro Jahr angeben)?

Ursprünglich war hier schriftliche Beantwortung erbeten
worden. Jetzt aber ist die Fragestellerin anwesend. Ist die
Bundesregierung sprechbereit?
(Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär: Immer!)
– „Immer“ wird mir signalisiert. – Bitte schön, Herr
Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Wir sind davon ausgegangen, dass diese Frage
schriftlich beantwortet wird. Deshalb mussten mir erst
die Unterlagen gereicht werden. – Ich beantworte die
Frage wie folgt: Die Antwort auf die Frage ließe Rückschlüsse
auf den operativen Kernbereich der Nachrichtendienste
zu. Die Bundesregierung äußert sich zu solchen
Fragen ausschließlich im dafür zuständigen
Parlamentarischen Kontrollgremium.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre Nachfrage.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Danke, Herr Präsident. – Das ist sehr bedauerlich, zumal
im Rahmen des Verbotsverfahren bekannt geworden
ist, dass mindestens 30 V-Leute in der Führung der NPD
tätig gewesen sind.
Ich frage Sie: Stimmen denn die Nachrichten in den
Medien, dass gegenwärtig mehr V-Leute in den Nazi-
Strukturen und in der NPD tätig sind als vor dem gescheiterten
NPD-Verbotsverfahren?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Ich kann nur noch einmal sagen, dass wir dazu in der
Öffentlichkeit keine Auskünfte geben, sondern dass dafür
das Parlamentarische Kontrollgremium da ist.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Jelpke.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Staatsekretär, sind Sie nicht angesichts der Sicherheitslage
vor dem Hintergrund der skandalösen
Nazi-Anschläge der Meinung, dass die Öffentlichkeit einen
Anspruch darauf hat, zu erfahren, nicht wie die Sicherheitsbehörden
arbeiten, sondern wie viele V-Leute
dort im Einsatz sind?
(Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Natürlich nicht!)

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Die Zahl selbst gibt überhaupt keine Auskunft darüber,
inwieweit die Sicherheitsbehörden involviert sind.
Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich bei V-Leuten
nicht um verdeckte Ermittler handelt, sondern um
Leute aus der Szene, die Informationen liefern. Das sind
wichtige nachrichtendienstliche Quellen der Verfassungsschutzbehörden.
Ich bitte noch einmal um Verständnis
dafür, dass ich dazu hier in der Öffentlichkeit
keine Auskunft geben kann.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Zu dieser Frage eine Nachfrage der Frau Kollegin
Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Die ganze Öffentlichkeit spricht inzwischen darüber.
Es gibt Zeitungsartikel. Es ist vieles an die Öffentlichkeit
gedrungen. Aber hier soll es nicht möglich sein, wenigstens
diese Fragen zu beantworten? Das ist schon
sehr eigenartig.
Meine Frage betrifft Brandenburg. Der dortige Verfassungsschutz
hat bereits 1998 Hinweise auf das Trio
gegeben, um das es unter anderem geht. Warum sind
diese Hinweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz
damals nicht so bearbeitet worden, dass es nicht noch
weiterer 13 Jahre bis zur Aufklärung bedurfte? Das ist
auch inzwischen vom Verfassungsschutz Brandenburg
öffentlich bestätigt.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Sie können es weiter versuchen, aber ich werde keine
Details zur Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz
preisgeben.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Wir kommen damit zur Frage 21:
Wie viel Geld wird vonseiten des BfV für den Einsatz von
V-Leuten in der Szene der extremen Rechten jährlich ausgegeben
(bitte für die letzten fünf Jahre angeben)?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Ich hatte bereits beide Fragen beantwortet, indem ich
darauf hingewiesen habe, dass ich darauf keine Hinweise
geben kann.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Frau Jelpke will es trotzdem nicht unversucht lassen
und hat ihre erste Nachfrage.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Ja, genau. Ich meine, dass die Öffentlichkeit ein
Recht hat, zu erfahren, wie viel Geld vom Verfassungsschutz
gezahlt wird. Es sind schließlich Steuergelder, die
dafür ausgegeben werden.
(Iris Gleicke [SPD]: So ist das!)
Meine Nachfrage bezieht sich darauf, wie das Bundesamt
für Verfassungsschutz verhindern will, dass VLeute
vom Staat Gelder bekommen, die sie dann wieder
in die Nazi-Szene investieren.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Der Verfassungsschutz hat hierfür Mechanismen, indem
jede einzelne Aussage selbstverständlich kontrolliert
und evaluiert wird. Mehr kann ich hierzu aber nicht
sagen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben eine zweite Nachfrage.

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Sie können sich vorstellen, Herr Präsident, dass ich
mit diesen Antworten nicht einverstanden bin, weil ich
meine, dass es gerade in dieser Situation ein öffentliches
Interesse besonderer Art gibt. Es gibt Fälle aus der gesamten
Republik, in denen sich V-Leute offen dazu bekannt
haben, dass sie den Verfassungsschutz ausgespäht
und die Gelder, die sie erhalten haben, wieder in die
Szene investiert haben, um entsprechende Nazi-Strukturen
aufzubauen. Sind Sie bereit, uns darüber Auskunft zu
geben?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister
des Innern:
Was Sie beschreiben, muss unbedingt verhindert
werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat entsprechende
Instrumentarien. Ich kann hier aber keine
weiteren Auskünfte darüber geben, weil wir in der Öffentlichkeit
nicht über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste
reden. Dafür gibt es das Parlamentarische Kontrollgremium.