Artikel: Abschaffen statt befristen

Die Festnahme dreier Terrorverdächtigen aus einer sogenannten »Düsseldorfer Zelle« der Al-Qaida wird von Sicherheitspolitikern insbesondere aus Union und SPD als Beleg dafür angegeben, wie unerläßlich die seit 2001 verschärften Antiterrorgesetze seien. Der angebliche Erfolg des Bundeskriminalamtes wurde passenderweise zeitgleich mit der Diskussion über eine Entfristung eines Teils der Sicherheitsgesetze vermeldet.

Doch hinter dieser Taktik verbirgt sich ein Etikettenschwindel: Die wesentlichen Ermittlungsmethoden, die gegen die »Düsseldorfer Zelle« angewandt wurden, fallen überhaupt nicht unter die Befristungsregelungen. Das BKA machte bei den Ermittlungen gegen die Düsseldorfer erstmals von seinen neuen Befugnissen der Online-Überwachung und der »Quellen-TKÜ« Gebrauch, also einer »Fernausspähung« von Computern und dem Abhören mittels Internet geführter und verschlüsselter Telefonate. Diese Befugnisse waren Ende 2008 in das BKA-Gesetz eingefügt worden –und das enthält keine Befristungsregelung. Diese gilt nur für einen kleinen Teil der Antiterrorbefugnisse, die das »Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz« (TBEG) vorsieht, dessen Regelungen im Januar 2012 auslaufen, nachdem es 2007 schon einmal verlängert worden war. Das TBEG ermächtigt die drei Geheimdienste Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst, über Personen, von denen eine mutmaßlich »schwerwiegende Gefahr« ausgeht, Auskünfte von Banken, Fluggesellschaften, Postdienstleister und Telekommunikationsfirmen zu verlangen – und zwar ohne richterlichen Beschluß.

Die Unionsparteien fordern nun eine weitere Verlängerung des TBEG. Weil die FDP derzeit ihr Image als »Bürgerrechtspartei« wieder aufpolieren will – »Wir können die Sicherheitsgesetze nicht einfach pauschal verlängern«, sagte der neue FDP-Chef Philipp Rösler am Wochenende – bietet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) als »Kompromiß« eine weitere Befristung an. Die Geheimdienste hätten bislang »zurückhaltend« von den Befugnissen Gebrauch gemacht, heißt es unter Berufung auf die eben abgeschlossene Evaluation des Gesetzes durch eine dänische Unternehmensberatung. Laut deren Untersuchung hat der Verfassungsschutz im Jahr 2009 75 Mal bei Telekommunikationsfirmen, 26 Mal bei der Post, 14 Mal bei Banken und einmal bei einer Fluggesellschaft Auskünfte eingeholt. Die dänische Firma schlägt ein gesetzliches Benachteiligungsverbot vor, so daß zukünftig Banken nicht mehr ein Konto kündigen können, weil der Geheimdienst Auskünfte über den Kontoinhaber verlangt hat.

Ein zweites Gutachten zur Überprüfung der Grundrechtskonformität wurde vom Bundesinnen- und Bundesjustizministerium beim Rechtswissenschaftler Heinrich Amadeus Wolff aus Frankfurt (Oder) in Auftrag gegeben. Wolff, der 1998 bis 2000 selbst beim Bundesinnenministerium tätig war, kommt zu dem Ergebnis, daß keine Verfassungsbedenken gegen das TBEG vorliegen. Statt einer erneuten Befristung hält Wolff eine dauerhafte Verlängerung mit regelmäßiger Evaluierung für ausreichend. Zum Schutze der Grundrechte schlägt Wolff neben dem schon im dänischen Gutachten genannten Benachteiligungsverbot vor, daß zukünftig alle im TBEG enthaltenen Maßnahmen von der nicht weisungsgebundenen G-10-Kommission des Bundestages genehmigt werden sollen. Die Mitteilungspflicht an die Betroffenen soll ausgeweitet werden.

Der Großteil der über 50 Antiterrorgesetze, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA beschlossen worden sind, sieht aber überhaupt keine Befristung vor (siehe Spalte).

Aus bürgerrechtlicher Sicht stellt sich nicht die Frage nach Befristung oder dauerhafter Verlängerung des TBEG, sondern nach der Streichung aller im Namen der Terrorbekämpfung seit 2001 erlassenen Sicherheitsgesetze sowie der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Gesinnungsstrafrechts- und Schnüffelparagraphen 129 und 129a (kriminelle bzw. terroristische Vereinigung). All diese Sondergesetze haben bis heute nicht zu mehr Sicherheit beigetragen. Häufig werden sie lediglich zur Einschüchterung, Ausspähung und Verfolgung unliebsamer Opposition genutzt –aktuellstes Beispiel: Das antifaschistische Bündnis »Dresden Nazifrei«, das wegen der Verhinderung des Naziaufmarsches im Februar nun als »kriminelle Vereinigung« verfolgt wird.