Artikel: Griff in Kochs Mottenkiste

Der neue Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), macht Druck bei der Verschärfung des Jugendstrafrechts. In einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung (Dienstagausgabe) forderte Kauder höhere Strafen für junge Menschen, insbesondere eine Verlängerung der Höchststrafe von zehn auf fünfzehn Jahre.

Zuletzt wollte der hessische Ministerpräsident Roland Koch mit ähnlichen populistischen Forderungen bei der Landtagswahl 2008 seine absolute Mehrheit retten. Er erhielt die Quittung und mußte hohe Verluste hinnehmen. Dennoch wurde dieselbe Law-and-Order-Politik von Union und FDP nach der Bundestagswahl wieder aufgegriffen. So vereinbarte die Koalition, im Jugendstrafrecht die Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre zu erhöhen.«

Kauder beschränkt sich mit seinen Forderungen jedoch nicht auf den Tatbestand des Mordes, sondern verlangt zusätzlich höhere Strafen für Totschlag und Sexualdelikte. Bisher beträgt das Höchstmaß bei Jugendstrafen unabhängig vom jeweiligen Delikt zehn Jahre. Die Gerichte bleiben meist darunter. Woraus dann ein Bedürfnis für eine Ausweitung des Strafrahmens hergeleitet wird, bleibt rätselhaft. Die Kriminalstatistik weist seit Jahren eine rückläufige Tendenz auf. Zudem ist es unter Fachleuten unumstritten, daß längeres Wegsperren nicht zur Resozialisierung beiträgt.

Die Union will wohl erreichen, daß sich die gesamte Praxis der Jugendgerichte ändert und künftig vermehrt höhere Strafen verhängt werden. Diese Tendenz zeigt sich auch an der geplanten Einführung des »Warnschußarrestes«. Bisher hatte es der Bundestag immer abgelehnt, neben Bewährungsstrafen gleichzeitig Arrest vorzusehen. Auch hier tut sich nun die neue Koalition als Hardlinerin hervor.

Der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses, Wolfgang Neskovic (Die Linke) monierte, die geplanten Änderungen folgten dem »Vergeltungsprinzip«. Dies widerspreche »dem Erziehungsgedanken im deutschen Jugendstrafrecht«. Auch der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Wolfgang Ewer, kritisierte, die Anhebung der Höchstgrenze für eine Jugendstrafe auf 15 Jahre werde kaum einen Täter beeindrucken. Die Pläne von Schwarz-Gelb seien »reine Symbolpolitik«. Statt die Höchststrafe anzuheben, sei es sinnvoller, die Bewährungshilfe zu verbessern.

Andere Vorschläge Kauders, die der Rechtsausschuß-Vorsitzende in einem »Zehn-Punkte-Programm« darlegen will, dürften diskussionswürdiger sein. So solle laut Kauder bei Verhandlungen wegen eines Sexualdelikts zu Lasten eines Kindes die Öffentlichkeit für die gesamte Verhandlungsdauer ausgeschlossen bleiben. Unter dem Gesichtspunkt eines »fairen Verfahrens« sei es zudem »ratsam, daß bei einer Verfahrenseinstellung wegen erwiesener Unschuld die Staatskasse künftig auch den Verteidiger bezahlt«.