Pressemitteilung: Solidarität mit dem Kloster Mor Gabriel und den Christen in der Südosttürkei

Gegen den Kulturkampf der türkischen Regierung:

Solidarität mit dem Kloster Mor Gabriel und den Christen in der Südosttürkei

Dorfvorsteher und Politiker der islamisch-konservativen AK-Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan versuchen, die verbliebene christliche Minderheit aus dem Tur Abdin in der Südosttürkei mit absurden Gerichtsprozessen und offenen Drohungen zu vertreiben. Mor Gabriel, das älteste noch existierende christliche Kloster, wird in seiner Existenz bedroht. Die Männer benachbarter staatsnaher Clans haben Weiden besetzt, die laut amtlicher Feststellung aus dem Jahr 1938 zum Kloster gehören. Gleichzeitig haben die Dorfvorsteher Erzbischof Timotheos Samuel Aktas wegen „rechtswidriger Ansiedlung“ verklagt, da sich das Kloster Wälder aus Staatsland angeeignet haben soll. Es wurde sogar der absurde Vorwurf erhoben, das im Jahr 397 erbaute Kloster sei auf den Mauern einer Moschee errichtet worden – 200 Jahre bevor der Entstehung des Islam. Weiterhin werde den Mönchen „antitürkische Aktivitäten“ wie die Missionierung Jugendlicher vorgeworfen. Dies ist in der Türkei nicht nur eine Straftat, sondern kann zu Anschlägen fanatischer türkischer Nationalisten führen, wie der bestialische Mord an drei Mitarbeitern eines Bibelverlages vor zwei Jahren in Malatya beweist. Auch gegen die Mönche von Mor Gabriel gibt es bereits Drohungen. „Wenn das Problem vor Gericht nicht gelöst wird, wird es zu Blutvergießen kommen“, zitierte die Zeitung Hürriyet im Februar einen Dorfvorsteher.

Der Tur Abdin in der Provinz Mardin im Südosten der Türkei ist seit Jahrtausenden ein Schmelztiegel ethnischer und religiöser Bevölkerungsgruppen. Muslimische, Kurden, Araber, Syrianer, Armenier und Türken; Muslime, Christen und Ezidi leben hier in Obermesopotamien. Immer wieder wurde dieses Zusammenleben gestört. So waren auch kurdische Stämme am türkischen Genozid an den christlichen Armeniern und Syrianern während des ersten Weltkrieges beteiligt. Kurdische Politiker wie Ahmet Türk, der Vorsitzende der Partei für eine Demokratische Gesellschaft DTP, haben sich inzwischen öffentlich dafür entschuldigt. Auch während der letzten Jahrzehnte flohen zehntausende Christen aufgrund von Diskriminierung und des Krieges der türkischen Armee gegen die Kurden aus der Südosttürkei meist nach Europa. 60.000 Angehörige aus der Türkei stammender christlicher Minderheiten leben heute in Deutschland. Erst seit den letzten zehn Jahren relativen Friedens sind einige dieser Flüchtlinge wieder in den Tur Abdin zurückgekehrt. Sollten die jetzt laufenden Strafverfahren gegen Mor Gabriel erfolgreich sein, hätte das von der Landwirtschaft lebende Kloster keine wirtschaftliche Basis mehr und müsste aufgegeben werden. Für die christliche Minderheit in der Südosttürkei wäre dies ein Zeichen dafür, dass sie in ihrer Heimat offenbar unerwünscht ist und ihre Sicherheit und Existenzberechtigung durch den Staat nicht garantiert wird. Eine neue Fluchtwelle nach Europa wäre die Folge.

Die türkische Regierung muß endlich begreifen, dass unterschiedliche Kulturen, Religionen und Sprachen innerhalb der Türkei keine Gefahr für die nationale Sicherheit sind, sondern eine Bereicherung darstellen. Notwendig ist es, allen ethnischen und religiösen Gruppierungen ihre Rechte zuzugestehen. So wie die kurdische Identität anerkannt und die freie Ausübung der kurdischen Kultur und Sprache ermöglicht werden muß, sollte auch der christlichen Minderheit die freie Religionsausübung garantiert werden.

Ulla Jelpke