Artikel: Vernichtende Kritik

Mindestens 37 Sicherheitsbehörden sollen nach dem Willen von CDU/CSU und SPD Einblick in den jeweiligen Erkenntnisstand aller Polizeien von Bund und Ländern, des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und der Verfassungsschutzämter erhalten.

Der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, Sönke Hilbrans, und der stellvertretende Vorsitzende der Humanistischen Union, Fredrik Roggan, sprachen von einer bedrohlichen »neuen Qualität« der Vermischung von Geheimdiensten und Polizei. Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftragter, nannte den Gesetzentwurf einen weiteren »Schritt in die Überwachungsgesellschaft«. Besonders harsch fiel die Kritik von Professor Hansjörg Geiger aus. Sein Verdikt, wonach die vorgeschlagene Regelung ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und daher verfassungswidrig sei, traf die große Koalition besonders hart, denn Geiger war früher selbst BND-Präsident und zuletzt Staatssekretär im SPD-geführten Bundesjustizministerium.

Im einzelnen monierten die Experten, daß der Kreis der Personen, deren Daten künftig zentral gespeichert werden dürfen, viel zu unbestimmt und daher zu weit sei. Nicht nur »Terrorismusverdächtige«, sondern auch deren Kontaktpersonen, müssen künftig befürchten, im Zentralcomputer des Bundeskriminalamts in Wiesbaden zu landen. Über eine »Eilzuständigkeit«, deren Voraussetzungen in der Praxis leicht konstruierbar sind, haben dann Polizeibehörden im ganzen Land Zugriff auf die »erweiterten« Personendaten.

Welche Behörden Einblick bekommen, ist im Gesetz nicht geregelt. Durch eine spätere Verordnung sollen weitere Polizeidienststellen hinzukommen, ohne daß das Parlament zustimmen müßte – nach Ansicht vieler Sachverständiger ein glatter Verfassungsverstoß.

Geiger rügte auch die Verletzung des Prinzips der »Normenklarheit«, weil die Bestimmungen für die Praktiker nicht präzise genug seien, um zu erkennen, welche Daten genau einzustellen seien. Ein »Freitextfeld«, in das man beliebige Angaben über eine Person einfügen kann, bezeichnete Geiger als »trojanisches Pferd« für Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte.

Der Entwurf soll nach dem Willen der Koalition dennoch in der letzten Novemberwoche vom Bundestag verabschiedet werden. Wenn CDU/CSU und SPD die Warnungen der Sachverständigen mißachten und den bisherigen Text nicht gründlich überarbeiten, werden sie damit beim Bundesverfassungsgericht Probleme bekommen. Das wurde durch die Anhörung am Montag abend deutlich.