Rede im Bundestag: Bundesregierung will stärkere Überwachung in Gefängnissen legalisieren

Ulla Jelpke, Fraktion DIE LINKE:
Rede zum Tagesordnungspunkt 15 der 50. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines „Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften“ > Drucksache 16/2581
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines „Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes“ > Drucksache 16/1519 < c) Beratung des Antrags der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen „Mehr Wettbewerb und Verbraucherschutz auf dem Telekommunikationsmarkt“ > Drucksache 16/… < Anrede, die Bundesregierung will die rechtlichen Grundlagen schaffen, um Mobilfunk-Blocker in Gefängnissen einzuführen. Die Fraktion DIE LINKE. ist aus grundsätzlichen Erwägungen gegen dieses Vorhaben. Wir halten nichts davon, Gefangenen zu verbieten, Handygespräche zu führen. Sinn und Zweck von Gefängnisstrafen soll es sein, Straftäter zu resozialisieren. Bei allen Mängeln in der Praxis: An diesem Anspruch muss sich der Strafvollzug messen lassen. Und wenn man Gefangene so weitgehend wie irgend möglich isoliert, wird man diesem Zweck nicht gerecht. Auch Gefangene müssen die Chance haben, Kontakt zu Menschen außerhalb der Haftanstalt zu halten. Dazu gehören auch Telefongespräche. Wie anders soll Resozialisierung funktionieren? Anrede, grundsätzliche Einwände haben wir auch dagegen, Untersuchungsgefangenen generell Mobiltelefone zu verbieten. Wir müssen hier genau differenzieren: Es mag bei Verdunkelungsgefahr Gründe geben, Telefongespräche einzuschränken, aber wo es diese Gefahr nicht gibt, muss und darf man auch keine Handys verbieten. Bei Untersuchungshäftlingen gilt schließlich die Unschuldsvermutung. Eine solche Klarstellung fehlt im Gesetzentwurf. Begründet wird das Handyverbot damit, es diene der Sicherheit der Haftanstalt und solle kriminelle Aktivitäten von Gefangenen unterbinden. Auch hier muss ich sagen: Für diese Zwecke generell Mobiltelefone zu verbieten, ist unverhältnismäßig. Man darf nicht jedem Strafgefangenen unterstellen, er würde sofort neue Straftaten anzetteln, wenn er ein Telefon in die Hand kriegt. Gefangene wurden für eine bestimmte Straftat verurteilt, bei allen weiteren Vorwürfen gilt auch bei ihnen die Unschuldsvermutung. Anrede, es gibt noch ein ganz anderes, nämlich technisches Problem. Niemand kann garantieren, dass Blockaden von Funkfrequenzen wirklich nur innerhalb der Gefängnismauern wirken. Das stellt der Gesetzentwurf einfach falsch dar. Das so genannte jamming ist nur zwischen zwei Funkmasten möglich. Gerade in Ballungszentren würde man den Mobilfunkverkehr in der Umgebung von Gefängnissen beeinträchtigen. Nehmen Sie die Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Moabit. Auf der einen Seite ist ein Park, aber auf der anderen Seite stehen Wohnhäuser. Und, noch schöner: direkt neben dem Gefängnis ist das Kriminalgericht. Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte könnten nicht mehr telefonieren, von Hunderten von Anwohnern oder einfach nur Passanten ganz zu schweigen. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass die Bundesregierung das wirklich will. Anrede, der Gesetzesentwurf ist schlicht unreif, er ist nicht durchdacht, sowohl was die juristische Seite angeht als auch die technische Umsetzung. Einen Punkt will ich noch ansprechen, der nun verfassungsrechtlich höchst bedenklich ist. Die Bundesregierung fordert eine generelle Öffnungsklausel im Telekommunikationsgesetz, um das jamming zu ermöglichen. Die Länder könnten dann entscheiden, wo und wann sie von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen. Als mögliche Einsatzorte werden Fußballstadien und Großveranstaltungen genannt. Im Blickfeld sind natürlich auch Demonstrationen. Wenn die Polizei verhindern will, dass Demonstranten telefonieren, dann wird der Schalter umgelegt. So kann die Demoleitung nicht mehr mit der Presse kommunizieren. Polizeiübergriffe wären dann noch einfacher. Ich sehe darin ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr die Kontroll- und Überwachungsphantasien der Bundesregierung angeschwollen sind. Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit den Werten unserer Verfassung hat das nichts mehr zu tun. Wir brauchen solche einschränkenden Gesetze nicht. Zu den Freiheitsrechten gehört auch die Freiheit, zu telefonieren, und das soll so bleiben! (Die Rede wurde zu Protokoll gegeben)