Pressemitteilung: Ungleichbehandlung beenden!

Dass gerade jetzt wieder die Stasi-Platte aufgelegt wird, verrät politisches Kalkül: Von den massiven Rechtsbrüche der BRD-Geheimdienste, die derzeit aufgedeckt werden, soll abgelenkt werden. Während die Berichterstattung insbesondere über den BND stets betont, wie stümperhaft dieser vorgegangen sei, wird die Staatssicherheit zum absoluten Dämon aufgebaut und mit der Gestapo verglichen.

Ich bin nicht solidarisch mit Geheimdiensten, sondern ich fordere ihre Auflösung. Ich sehe aber nicht ein, wieso die Agenten eines sozialistischen Geheimdienstes schlechter gestellt sein sollen als diejenigen eines Geheimdienstes, der für einen kapitalistischen Staat tätig ist. Die Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung haben im Westen Rüstungsindustrie, Verteidigungsministerien und Nato-Stäbe ausgekundschaftet – daran kann ich nichts Verwerfliches finden. Die Gegenseite hat das Gleiche getan. In den Knast mussten aber nur die Agenten der DDR. Nur diese müssen Strafrenten hinnehmen. Und die Massenüberprüfungen im öffentlichen Dienst dienen nur der Enttarnung von Staatssicherheitspersonal.
Eine ähnliche politische und juristische Stigmatisierung müssen die Agenten der BRD nicht fürchten. Da gibt es keine Massenüberprüfungen und Berufsverbote. Die Praxis, die Agenten der einen Seite zu kriminalisieren und die der anderen zu belobigen, halte ich für eine unerträgliche Doppelzüngigkeit. Früher war auch der heutige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble dieser Ansicht. 1990 sagte er:

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir im vereinten Deutschland die jeweiligen Agenten der anderen Seite ins Gefängnis stecken. Was ich mir auch nicht vorstellen kann, ist, dass wir die Mitarbeiter der DDR ins Gefängnis stecken und das umgekehrt nicht tun. Es handelt sich um teilungsbedingte Straftaten, die außer Verfolgung gestellt werden müssen.“
Wenn nun Berlins Innensenator Ehrhart Körting prüfen will, ob so genannte Stasi-Clubs vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollen, setzt er die unrühmliche Tradition der Sozialdemokraten fort, die schon 1990 am vehementesten die Ungleichbehandlung von Ost und West gefordert haben. Von der Sache her ist Körtings Vorstoß, Selbsthilfevereine von Rentnern zu überwachen, lächerlich.

Die Akten der Staatssicherheit sind weitgehend offen gelegt worden, sie dienen leider weniger der historischen Forschung als der politischen Verfolgung. Es wäre ein Mindestgebot der Gleichbehandlung, auch die Akten von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst aufzudecken – wenigstens bis zum Jahr 1990. Es wird ja niemand ernsthaft behaupten wollen, diese Dienste hätten weniger Leichen im Keller. Ost- wie West-Geheimdienste waren Instrumente im Kalten Krieg, und der wurde von beiden Seiten geführt.
Absolut fehl am Platz sind Vergleiche zwischen Staatssicherheit und Gestapo. Eine solche Rhetorik dient der Verharmlosung des Faschismus und der Dämonisierung der DDR. Wer so etwas betreibt, muss sich sagen lassen, dass es die West-Dienste waren, die zum Tummelplatz der alten Nazis geworden waren, anstatt diese vor Gericht zu bringen, wie es in der DDR geschehen ist. Ein Teil der Kundschaftertätigkeit der DDR diente dazu, die Nazi-Connections der BRD-Politik aufzudecken – aus meiner Sicht ein immer noch verdienstvolles Unterfangen, das den Kundschaftern bis heute den Hass der Bundesregierung und ihrer Dienste sichert. Die BRD-offizielle Darstellung beschränkt sich darauf, von der Staatssicherheit das Zerrbild einer terroristischen Vereinigung zu zeichnen.
So lange die Archive der BRD-Dienste nicht ebenfalls geöffnet werden, kann von einer ernsthaften Aufarbeitung dieser Geschichte nicht die Rede sein.

Nebenbei bemerkt: Dass die Spiegel-Meldung über meinen Besuch auf dem Kundschafter-Treffen in Strausberg nun solche Aufregung verursacht, verrät auch einiges über die Arbeitsweise unserer Leitmedien. Der Spiegel hat nichts „aufgedeckt“, sondern nur zitiert, was schon heute vor einer Woche in der Tageszeitung junge Welt gestanden hat, bezeichnenderweise ohne die Quelle zu nennen.

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