Antwort Kleine Anfrage (18/2923): Das Ende der Operation Mare Nostrum und die steigende Zahl ertrunkener Flüchtlinge im Mittelmeer

Die Antwort enthält eine Reihe schon bekannter Fakten:
Von Januar bis August berichtet Frontex von 143 bestätigten Todesopfern (das ist neu, Frage 1), Italien habe im Zeitraum Januar bis September 116.000 Migranten festgestellt (Frage 2). Allerdings wurden im Zeitraum Januar bis August nur 25.080 Asylerstanträge registriert (Frage 37). Die zunächst von AFP und dann der Welt verbreitete Zahlen von 56.700 Fingerabdrücken, die eigentlich hätten gespeichert werden müssen, und tatsächlich nur 43.000 gespeicherten Fingerabdrücken, kann die Bundesregierung nicht bestätigen (ebendort). Nach Berichten der UN befinden sich derzeit 140.000 Binnenvertriebene in Libyen, sowie 37.000 als Flüchtlinge und Asylsuchende registrierte Personen aus Syrien, den palästinensischen Gebieten, Eritrea und dem Irak. An der Küsten sollen sich 100.000 syrische Flüchtlinge aufhalten, die unter willkürlichen Inhaftierungen leiden und willkürlich in Drittstaaten abgeschoben werden. (Frage 5) Der UNHCR ist selbst nicht mehr in Libyen präsent, Hilfslieferungen erfolgen von Tunesien aus. Das gilt auch für andere UN-Organisationen (Frage 6).

Einrichtung Triton/Übergang von Hermes/Aenas

Derzeit läuft noch die Operation Hermes im zentralen Mittelmeer, deren Operationsgebiet sich um Sizilien, Lampedusa und Sardinien befindet. In diese Operation wurde die Operation Aenas eingegliedert, die am 30. September beendet wurde. Ihr Operationsgebiet befand sich zwischen Italien und Griechenland. Am 27. und 28. August hat Frontex hierzu eine eine Unterstützungsanfrage an alle Mitgliedsstaaten versandt, und ein zusätzliches Flugzeug und ein Einsatzschiff abgefragt. (Frage 10)
Triton soll Hermes im November ablösen (Frage 18). Die erwarteten Einsatzkosten belaufen sich auf 2,9 Mio. Euro pro Monat, die Kommission hat zusätzliche Finanzmittel in Aussicht gestellt (Frage 10). Der Innenministerrat hat hierzu eine dauerhafte Aufstockung der Finanzmittel für Frontex beschlossen (Ratdok-Nr. 14141/14). Frontex hat bislang die Verfügbarkeit von zwei Flugzeugen, drei Einsatzschiffen und einer unbezifferten Zahl von Einsatzhubschraubern angefragt (Frage 10). Die Bundesregierung hat von sich bereits einen seeflugtauglichen Polizeihubschrauber mit besonderer Ausstattung zur Unterstützung bei Seenotfällen angeboten (Frage 21).
Weitere Frontex-Operationen im Mittelmeerraum sind Indalo in Spanien und Poseidon See in Griechenland/Ägäis (Frage 23).

Kompensation des Wegfalls von Mare Nostrum

Hierzu hatten wir ganz unterschiedlich gefragt. In Frage 23 ging es darum, ob durch die Operationen im Mittelmeer eine Überwachung des Seeraums zwischen Italien und Sizilien übernommen werden könne. Die Bundesregierung antwortet aber, das Mandat von Frontex lasse eine Übernahme der Grenzüberwachung im Mittelmeer nicht zu.
In Frage 24 hatten wir gefragt, inwieweit eine gemeinsame stärkere Überwachung des Mittelmeerraums und einer Verbesserung der Seenotrettung durch EUROSUR möglich sei. Die Bundesregierung antwortet ausweichend, durch den Austausch von Lageinformationen und zusätzlicher Detektionstechnik unterstütze EUROSUR auch Such- und Rettungsmaßnahmen der EU-Staaten. Weiter geht aus den Antworten hervor, dass die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) eine Kooperation mit Frontex unterhält und Schiffspositionen übermittelt sowie Informationen aus satellitengestützer Erdbeobachtung (Frage 27).
Das bedeutet: es liegen die notwendigen Mittel bereit, eine koordinierte Seeraumüberwachung mit dem Ziel der Seenotrettung zu starten. Die Bundesregierung erteilt dem aber eine klare Absage: Grenzüberwachungseinsätze unterschieden sich von Seenotrettungseinsätzen der italienischen Behörden, für letzteres hätten Frontex und die Mitgliedsstaaten „weder das Mandat noch die erforderlichen Ressourcen.“ Für die Seenotrettung braucht es aber kein Mandat (es handelt sich ja um internationale Gewässer), und die Ressourcen hat bislang Italien allein stellen können – wieso sollte das im Verein mit weiteren EU-Staaten weniger möglich sein?

Zusammenarbeit mit Drittstaaten: Beispiel Libyen

Als einen Eckpunkt für die Lösung des Flüchtlingsproblems im Mittelmeerraum benennt die Bundesregierung die „Verstärkte Zusammenarbeit (…) mit von Migrationsfragen betroffenen Transit- und Herkunftsstaaten“ (Frage 33). Zentral ist dabei selbstverständlich Libyen. Doch der Frage, wie die Flüchtlinge in Libyen unterstützt werden können (deren Situation dort ein Push-Faktor für die Migration über das Mittelmeer ist), weicht die Bundesregierung aus: „inwieweit humanitäre Hilfsmaßnahmen in Libyen und den Nachbarländern gefördert werden können“ werde geprüft. Mit anderen Worten: es gibt keinerlei Planungen dafür. Unklar bleibt, ob es Humanitäre Maßnahmen der EU in Libyen gibt, einen entsprechenden VN-Flash-Appeal gibt es seit dem 19. September. (Frage 36). Zur konkreten Frage, ob die Bundesregierung an der Strategie festhalten wolle, durch einen Ausbau des libyschen Grenzschutzes und eines Asylsystems die Transitmigration einzudämmen, antwortet sie lediglich mit einer Antwort aus dem Satzbaukasten, aber nicht inhaltlich (Frage 40).

1802923_Frontex_plus.pdf