Artikel: Politik der Abschreckung

Auf einer Konferenz der Innenminister von CDU und CSU, die am Freitag in Weimar zu Ende gegangen ist, waren auch »quantitative Probleme« bei der Unterbringung von Flüchtlingen Thema, wie Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) mitteilte. Damit wird die Situation deutlich verharmlost. In Berlin hatte die Schließung der zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber dazu geführt, daß keine Asylanträge mehr angenommen wurden und die Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit geschickt wurden (jW berichtete).

In Bayern ist die Lage hingegen schon vor Wochen eskaliert. Für die beiden Aufnahmezentren in Zirndorf und München wurde ebenfalls vorübergehend ein Aufnahmestopp verhängt. Nicht das erste Mal: Im Oktober 2012 gab es diesen bereits schon einmal. Darauf wies der Bayerische Flüchtlingsrat auf seiner Homepage hin. Grund sei die »anachronistische Lagerpflicht«, an der Bayern weiterhin festhält. Die Asylsuchenden werden von lediglich zwei zentralen Aufnahmezentren in München und Zirndorf auf die »Gemeinschaftsunterkünfte« in den Bezirken verteilt. Weil die aus allen Nähten platzen und eine Unterbringung in Wohnungen nicht vorgesehen ist, müssen immer mehr Menschen in den Aufnahmezentren verbleiben.

Die unionsgeführten Innenressorts der Länder müssen sich vorwerfen lassen, die Situation bewußt eskalieren zu lassen. Am 19. September stimmt der Bundesrat über einen Gesetzentwurf ab, mit dem Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollen. Davon versprechen sich Union und SPD, die im Bundestag bereits zugestimmt haben, daß die Zahl der Asylsuchenden aus den Balkanstaaten wieder sinken könnte. Durch die öffentlich zur Schau gestellte Überlastung der Aufnahmelager steigt der Druck auf Grüne und Linke, das Gesetz im Bundesrat passieren zu lassen. Damit hätten insbesondere Roma aus den genannten Ländern rechtlich kaum noch eine Chance auf Flüchtlingsschutz in Deutschland. Das strukturelle Problem, daß schlicht nicht genug Plätze für neu ankommende Asylsuchende bereit stehen, wird sich so aber nicht lösen lassen.

Ebenfalls in dieser Woche wurden die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes zu den Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz veröffentlicht. Demnach haben Ende 2013 225000 Menschen Leistungen erhalten, 36 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dadurch entstanden Kosten von 1,5 Milliarden Euro. Die Zahlen bestätigen die Kritik des Bayerischen Flüchtlingsrates, daß die Lagerpflicht nicht nur unflexibel, sondern auch teuer ist: Pro Flüchtling gibt Bayern 9415 Euro im Jahr aus, das sind 40 Prozent mehr als im Bundesschnitt mit 6743 Euro. Dabei schlägt nicht nur die Lagerunterbringung zu Buche, sondern auch eine weitere inhumane Schikane des Asylbewerberleistungsgesetzes: die Ausgabe von Sachleistungen statt Bargeld. Kein anderes Bundesland hält am Sachleistungsprinzip so ehern fest wie Bayern. Die Folge sind hohe Verwaltungskosten.

Nach aktuellen Angaben der Bundesregierung steigen im übrigen nicht nur die Asylantragszahlen, sondern auch die Anerkennungsquoten. Das geht aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Demnach ist die Quote für die Bewilligung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder Abschiebungsschutz im zweiten Quartal 2014 auf 29,2 Prozent gestiegen, nach 23,9 Prozent im Quartal zuvor. Bereinigt man die Quote um formale Entscheidungen, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Beispiel lediglich die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates nach der Dublin-III-Verordnung festgestellt hat, liegen die Zahlen noch höher. Die tatsächliche Quote würde dann von 43,5 auf 46,4 Prozent ansteigen. Hinzu kommen Anerkennungen in Gerichtsverfahren. Gut die Hälfte der Asylsuchenden wird also dauerhaft bleiben können. Die Linke bezeichnete vor diesem Hintergrund die »bisherige Politik der Abschreckung« als »menschenrechtswidrig und integrationspolitisch verfehlt«.