Kommentar: Mittäterin Merkel

Wirklich erstaunlich ist hingegen, daß die Totalüberwachung durch die Ausspähbehörde NSA im Wiesbadener US-Army-Hauptquartier mit einem eigenen Abhörzentrum ausgebaut werden soll. Die Anlage soll einem Sprecher des Hauptquartiers zufolge 124 Millionen Euro kosten und bis Ende 2015 fertig sein. Die Nachricht über den geplanten Bau wurde bereits am Mittwoch von BND-Chef Gerhard Schindler in der Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages zu dem Abhörskandal bestätigt. Nachdem ebenfalls am Mittwoch bekannt wurde, daß die Bundeswehr vermutlich seit langem von dem NSA-Spähprogramm »Prism« gewußt hat, setzt der Bau eines eigenen NSA-Zentrums in der hessischen Landeshauptstadt dem Ganzen nun die Krone auf und ist an Dreistigkeit kaum zu toppen. Im sogenannten Intelligence Center sollen geheime Informationen für den Einsatz der US-Streitkräfte in Europa gesammelt werden: in 51 Ländern, von Rußland bis Israel. Die Heuchelei der Bundesregierung wird hier überdeutlich. Ihr geht es ganz offensichtlich nicht um die Aufklärung der NSA-Affäre, geschweige denn um den Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die bürgerlichen Parteien – von CDU/CSU, FDP bis hin zur SPD – höhlen dieses Grundrecht seit Jahren schon schrittweise aus. Selbst jetzt ist aus ihren Reihen kein ernstzunehmender Protest gegen die kriminelle, anlaßlose Totalüberwachung zu hören. Spätestens jetzt müßten die Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung und die bestehenden Abkommen mit den USA sofort ausgesetzt werden.

Statt dessen macht sich die Bundesregierung mit ihrer Akzeptanz eines NSA-Überwachungszentrums in Wiesbaden zur Mittäterin in einem der größten Ausspähskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Damit wird die Aussage von Kanzlerin Merkel, daß auf deutschem Boden deutsches Recht gelte, ad absurdum geführt. Mit dem Überwachungszentrum, das ja nur dann einen Sinn hat, wenn es in die weltumspannende NSA-Schnüffelpraxis eingebunden ist, toleriert die Bundesregierung den Verfassungsbruch auf deutschem Boden und leistet damit Beihilfe zur Ausspähung anstatt davor zu schützen.

Der Bau eines solchen Abhörzentrums ist vollkommen inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Nach allem, was bisher bekannt wurde, ist die Bundesregierung in der Pflicht, den Bau zu verhindern. Das oberste Gebot der Stunde lautet: Schonungslose Offenlegung und Aufklärung der Spionagepraxis der USA und nicht ihr weiterer Ausbau.