Artikel: Wettkampf der Hardliner

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) empfiehlt seiner Partei einen verstärkten Kampf gegen den sogenannten Linksextremismus. Nur so könne »die Union wieder an Statur gewinnen«, schreibt er in einem Artikel, der am Montag im Focus erschien.

Schünemann ist als Scharfmacher auf dem Gebiet der Innen- wie auch der Migrationspolitik bekannt. Diesmal lehnt er sich aber extrem weit aus dem Fenster: Er wirft »Linksextremen« vor, schlimmer als militante Neonazis zu sein. Im ersten Quartal des Jahres 2011 sei die links motivierte Gewalt um fast 70 Prozent gestiegen, schreibt der Minister, ohne dafür Belege zu nennen. Damit hat er den Wettbewerb im Unionslager, wer die größten Steigerungsraten vermeldet, für sich entschieden. Quellenangaben hat Schünemann nicht nötig. Ihm zufolge haben »Linksautonome« bei Angriffen auf Polizisten oder Neonazis »keine Hemmschwelle mehr«, sie kalkulierten auch offen den Tod von Betroffenen ein. Schünemann behauptet allen Ernstes, die Bundesrepublik stehe »an der Schwelle zum Linksterrorismus« und erinnert daran, daß sich in den 1980er Jahren »schon einmal« Autonome und »Revolutionäre Zellen« angenähert und »Feierabendterroristen« den Staat unsicher gemacht hätten. Und dann heißt es weiter: »Zudem eifern rechtsextreme ›Autonome Nationalisten‹ in ihren Aktionen dem linken Original nach, was die Situation weiter verschärft.« Linke als Original neofaschistischer Gewalt – Schünemann stellt die realen Verhältnisse kurzerhand auf den Kopf.

Erst am vergangenen Freitag hat das Landgericht Leipzig einen 33jährigen zu 13 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt, weil er aus rassistischen Gründen einen Iraker erstochen hatte. Seit 1990 haben Neonazis mehr als 140 Menschen ermordet, weil diese anders aussahen oder anders dachten: Linke, Migranten, Obdachlose und Punker. Auf der linken Seite gibt es so etwas nicht: Selbst der Verfassungsschutz geht in seinem jüngsten Jahresbericht davon aus, daß linksgesonnene Täter, wenn sie etwa Bundeswehrfahrzeuge anzündeten, darauf achteten, keine Unbeteiligten zu gefährden. Schünemanns extrem konservativer Kampf gegen Linke entpuppt sich als Verharmlosung der tatsächlich von Neonazis ausgehenden Gefahr.

Der CDU-Politiker setzt als Gegenmittel auf die Diskreditierung und Spaltung antifaschistischer Bündnisse und auf »Aufklärungsarbeit« über die DDR. Jugendantifagruppen, die sozialkritische Themen aufgreifen und häufig die Initiative übernehmen, durch Gegendemos oder Blockaden Neonaziaufmärsche zu verhindern, will Schünemann als »Wölfe im Schafspelz« entlarven. Ausdrücklich nennt er es »verwerflich, daß auch in linksdemokratischen Kreisen, etwa in Teilen der Gewerkschaften, diese Form des Extremismus verniedlicht wird«. Schünemannn fordert deshalb klarere Trennlinien gegenüber »linksautonomen Gruppen«. junge Welt wirft er vor, auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar die »Exterroristin« Inge Viett eingeladen zu haben. Aber auch SPD und Grüne bekommen ihr Fett ab, weil sich die »rot-grüne« Landesregierung in Baden-Württemberg darauf verständigt hat, den Rechtsextremismus zu bekämpfen – und nicht auch Programme gegen linke Gruppen auflegt. Schließlich proklamiert Schünemann den Kampf gegen die »linksextremen Geschichtsklitterer, die die DDR als ›sozial gerechte Wohlfühldiktatur‹ verklären«, ohne erklären zu wollen, was dies nun mit »linksautonomen« Militanten zu tun haben soll.

Schünemanns Funktion innerhalb der Union ist die des »bösen« Konservativen. Den »Guten« mimt derweil Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der weniger rabiat auftritt, in der Sache aber nicht hinter seinem Kollegen zurücksteht. In der Bild am Sonntag beklagte Friedrich den Verlust der heilen konservativen Welt: Unter dem »Schlachtruf Demokratisierung« sei vor 40 Jahren der Respekt vor Pfarrern, Polizisten, Lehrern und Beamten »mutwillig demontiert« worden. Um dem entgegenzuwirken, hat die Koalition vergangene Woche erst den Strafrahmen für Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte von zwei auf drei Jahre erhöht. Friedrich bekräftigte zudem, der Fahndungsdruck auf linke Täter müsse auch durch den Einsatz verdeckter Ermittler erhöht werden.