Artikel: GSG 9 ohne Mandat

Der in letzter Minute abgebrochene Einsatz der deutschen Spezialeinheit GSG9 vor der Küste Somalias schlägt auch im Bundestag hohe Wellen. Die Fraktion Die Linke beantragte am Montag einen Regierungsbericht für die Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch. Auch Politiker anderer Fraktionen verlangten nähere Informationen. Nach Darstellung des Nachrichtenmagazins Spiegel vom Montag wurde die Aktion der GSG-9-Kämpfer, mit der Seeleute des Anfang April gekaperten Frachtschiffes »Stavanger« gewaltsam befreit werden sollten, wegen Sicherheitsbedenken gestoppt. Ausschlaggebend war nicht die Einsicht, daß solche militärisch-polizeilichen Einsätze nur krisenverschärfend wirken, sondern offenbar allein die Tatsache, daß die US-Regierung das Kriegsschiff »USS Boxer« für die Aktion nicht bereitstellen wollte. Daraufhin erschien der Bundesregierung dieser Einsatz laut Spiegel als zu gefährlich. Nach einer aufwendigen mehrwöchigen Vorbereitung kehrten die zweihundert Elitepolizisten am Samstag schließlich mit Hubschraubern nach Kenia zurück.

Klar ist demnach, daß die Bundesregierung entschlossen war, sich nicht wie in vorangegangene Fällen auf die Zahlung von Lösegeld einzulassen, sondern dem US-Vorbild folgend eine Gewaltaktion durchführen wollte. Dabei bediente sie sich eines juristischen Tricks: Die GSG9 als Polizeieinheit sollte tätig werden, weil für das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) bei Auslandseinsätzen ein Mandat des Bundestags erforderlich gewesen wäre. Zuständig für die GSG9 ist dagegen der für die Bundespolizei verantwortliche Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Eine gesetzliche Regelung für einen Parlamentsvorbehalt fehlt hier. Auf diese Weise wurde das Parlament umgangen.

Die GSG9 war aber anscheinend ohne Hilfe der USA zu dem Einsatz gar nicht in der Lage, denn man benötigte als Basis den Hubschrauberträger »USS Boxer«. Wegen der starken Bewaffnung der Piraten schätzten die US-Militärs jedoch das Risiko einer gewaltsamen Maßnahme als zu hoch ein und stiegen aus. Der Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, James Jones, verweigerte gegenüber dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin, Christoph Heusgen, telefonisch die notwendige Zustimmung für die Operation. Laut Spiegel-Informationen entschloß sich daraufhin der Krisenstab im Verteidigungsministerium, die Kommandoeinheit zurückzubeordern. In anderen Meldungen hieß es, Schäuble habe diese Entscheidung persönlich getroffen.

Hierüber wie über den gesamten Vorgang verlangt das Parlament nun Aufklärung. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schloß im Tagesspiegel nicht aus, daß die Fraktionsspitzen möglicherweise informiert gewesen seien. Es gehe aber um die grundlegende Frage, ob Geiseln militärisch oder von Polizeikräften befreit werden könnten. Beides hält Wiefelspütz völkerrechtlich für möglich. Der FDP-Verteidigungspolitiker Rainer Stinner äußerte sich noch martialischer und kritisierte die Politik der Bundesregierung in der Münchner Abendzeitung als zu lasch. »Wir müssen den Gangstern ihr Handwerkszeug wegnehmen. Bei den Piraten heißt das vor allem: Wir müssen ihnen die Mutterschiffe wegnehmen«, so der FDP-Politiker. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), kritisierte gestern gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, daß der Einsatzbefehl zu spät erfolgt sei. Als Ursache nannte er Kompetenzgerangel innerhalb der Bundesregierung.