Rede: Burka-Verbot ist reine Scheindebatte

 

Rede zu Protokoll zu TOP 27 der 231. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 27. April 2017

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelungen der 25 min Gesichtsverhüllung Drucksache 18/11180

 

Die Bundesregierung will mit dem „Entwurf eines Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung“ verbieten, dass Beamtinnen und Beamten während ihres Dienstes ihr Gesicht verbergen.

 

Neue Gesetze werden in der Regel beschlossen, weil ein gesellschaftliches Problem erkannt wurde, dem zumindest nach Meinung der Regierenden mit den bisherigen Gesetzen nicht beizukommen ist. Doch im vorliegenden Fall haben wir es mit einer Gesetzesinitiative zu tun, der keinerlei reelles Problem zugrunde liegt. Es geht hier um reine ideologisch motivierte Propaganda. Union und SPD lassen sich hier vor den Karren der AfD spannen. Zum Glück nicht im Bund, aber auf Länderebene in Sachsen-Anhalt machen da sogar die Grünen mit. Und das ist nicht nur peinlich, das ist regelrecht gefährlich!

 

Denn auch wenn es nicht so explizit im Gesetzestext genannt ist, so ist doch jedem klar, dass es beim geplanten Verbot um gesichtsverhüllende Schleier muslimischer Frauen geht. In letzter Zeit ist oft von Fake-News die Rede. Doch bei der Debatte um ein sogenanntes Burka-Verbot haben wir es mit noch weniger als Fake-News zu tun, nämlich mit gar keinen, auch keinen erfundenen Fakten. Denn die Bundesregierung konnte bislang kein einziges praktisches Beispiel für die Notwendigkeit dieses Gesetzes anführen.

 

Amtliche Statistiken darüber, wie viele Frauen in Deutschland Niqab oder gar Burka tragen, gibt es nicht, da hier zum Glück – noch? – keine Meldepflicht besteht. Die niedrigsten Schätzungen liegen bei 2-300 Burka-Trägerinnen, wobei hier wohl nicht zwischen der afghanischen Burka und dem wenigstens die Augen freilassenden Niqab unterschieden wird. Der Betreiber der Website www.burkaverbot.de kommt auf eine Zahl von 4000 – 6500 Mitgliedern der Niqabi-Gemeinschaft, also aus religiösen Gründen vollverschleierten Mädchen und Frauen in Deutschland. Die Zahl beinhaltet auch Flüchtlinge und arabische Touristinnen sowie andere nur vorübergehend in Deutschland aufhältige Muslimas mit Gesichtsschleier, die sich garantiert nicht um eine Stelle im öffentlichen Dienst bewerben werden. Diese Website www.burkaverbot.de setzt sich übrigens entgegen ihres Namens für das Recht der Muslimas auf freie Religionsausübung einschließlich des Rechts auf Vollverschleierung ein und will Fakten zu dieser Debatte liefern.

 

Egal welche dieser Zahlen wir nehmen: es geht hier nur um eine verschwindend geringe Zahl unter den rund zwei Millionen Muslimas in Deutschland, die sich überhaupt zumindest zeitweilig vollständig verschleiern. Wie viele in ihrer Freizeit vollverschleierte Frauen als Bundesbeamtinnen tätig sind, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall habe ich noch von keinem einzigen Fall gehört, in dem eine Beamtin tatsächlich vollverschleiert zum Dienst erschienen ist.

Entweder haben wir es also mit einem unnötigen Vorratsgesetz für einen bislang nicht eingetretenen hypothetischen Fall zu tun. Oder sogar mit einem rechtlich unzulässigen Einzelfallgesetz. Beides ist abzulehnen.

 

 

Nach Ansicht der Bundesregierung steht eine Gesichtsverhüllung einer „vertrauensvollen Kommunikation der staatlichen Funktionsträger mit den Bürgerinnen und Bürgern“ entgegen. Da diese Kommunikation heute in vielen Fällen telefonisch, per Post oder E-Mail stattfindet, kann der Bürger in der Regel gar nicht erfassen, ob die Beamtin, mit der er kommuniziert, Minirock oder Niqab trägt.

 

Eine Ausnahme ist mir freilich bekannt, und das sind Mitglieder von Polizeisonderkommandos. Deren freilich nicht religiös begründete Vermummung etwa am Rande von Demonstrationen und zum Schutze von Großveranstaltungen stellt allerdings alles andere als eine „vertrauensvolle Kommunikation“ dar. Doch ein derartiges einschüchterndes Auftreten von SEK-Polizisten wird ja durch den vorliegenden Gesetzesentwurf ausdrücklich gedeckt.

 

 

Wir haben es nicht nur einer Regelung zu tun, die einfach nur sinnlos ist. Es ist schlimmer: Diese Regelung trägt, genauso wie die zum Teil noch viel weiter gehenden Gesetze auf Landesebene, zur Stimmungsmache gegen ganze Bevölkerungsgruppen bei. Denn hier wird eine seit Jahren wachsende Muslim-und Islamfeindschaft weiter mit Nahrung versorgt. Und auch viele Muslime und Muslima, die selbst die Vollverschleierung oder überhaupt das Kopftuch ablehnen, empfinden diese Debatte zurecht als ausgrenzend und diskriminierend.

 

Lassen Sie mich abschließend noch klarstellen, dass ich persönlich nicht nachvollziehen kann warum sich eine Frau im Namen einer Religion gänzlich verhüllt. Ich kann darin nichts Emanzipatorisches erkennen. Doch letztlich müssen die Muslimas selbst entscheiden. Sollte allerdings Zwang dabei sein – etwa durch männliche Familienmitglieder – dann lehne ich das entscheiden ab. Frauen, die sich aus freier Entscheidung von Niqab oder Burka oder auch nur dem einfachen Schleier lossagen wollen, verdienen dabei jede moralische Unterstützung. Sondergesetze wie das vorliegende sind aber gänzlich ungeeignet zum Schutze der Rechte der betroffenen Frauen. Daher lehnt DIE LINKE. dieses völlig überflüssige aber gleichwohl in seiner Signalwirkung schädliche Gesetz ab.