Artikel: Asylverfahren dauern länger

Trotz Hetze über angeblichen Missbrauch: Immer mehr Anträge werden anerkannt

Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 28.02.2017)

Das Gepoltere konservativer Flüchtlingsgegner über angeblichen Asylmissbrauch erweist sich einmal mehr als Legende: Immer mehr Asylsuchende erhalten einen Schutzstatus. Im vergangenen Jahr lag die Anerkennungsquote durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei 71,4 Prozent, so hoch wie noch in keinem Jahr zuvor. Das teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion mit.

Die größten Chancen auf Asyl bzw. eine Flüchtlingsanerkennung auf Grundlage der Genfer Konvention haben Antragsteller aus Syrien und Eritrea. Ihre Anträge werden zu 99,9 bzw. 98,9 Prozent anerkannt. Anträge afghanischer Flüchtlinge haben eine Anerkennungsquote von 60,5 Prozent. Hierbei handelt es sich um die sogenannte bereinigte Schutzquote, dabei werden nur inhaltliche Entscheidungen berücksichtigt, nicht aber beispielsweise Anträge, die sich durch Überstellung in ein anderes EU-Land oder durch Rücknahme des Antrages erledigen. Aufschlussreich sind auch die Zahlen zur Türkei: 17,5 Prozent aller Anträge werden anerkannt. Das ist, angesichts der dramatischen Lage dort, erstaunlich wenig, zugleich aber auch ein starkes Indiz dafür, dass die Türkei keineswegs ein »sicherer Herkunftsstaat« ist, wie die Bundesregierung noch im vergangenen Juli behauptete.

Die Dauer der Asylverfahren hat sich allerdings erneut verlängert. Im vierten Quartal dauerte es 8,1 Monate bis zu einer Entscheidung. Das sind drei Monate mehr als noch im Jahresschnitt 2015. Dass man beim BAMF mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterherkommt, zeigt sich auch daran, dass der Berg an sogenannten Altfällen, die schon seit eineinhalb Jahren oder länger auf ihren Bescheid warten müssen, erneut um fast 13.000 auf jetzt knapp 59.000 gestiegen ist. In Wirklichkeit muss hier jeweils noch ein halbes Jahr hinzugerechnet werden – so lange hat es im vergangenen Jahr nämlich gedauert, bis ein Flüchtling nach der Einreise erstmals die Chance bekam, seinen Antrag einzureichen. Die meisten dieser »Altfälle« betreffen afghanische Flüchtlinge.

Aus den Angaben der Bundesregierung geht auch hervor, dass immer häufiger nur der sogenannte subsidiäre Schutz erteilt wird, der den Flüchtlingen eine kürzere Aufenthaltsperspektive bietet und ihnen bis März 2018 den Familiennachzug untersagt. Von dieser Einschränkung sind insbesondere syrische Flüchtlinge betroffen, von denen mittlerweile 63 Prozent nur diesen subsidiären Schutz erhalten. Dass sie ihre Familien in Syrien oder in Flüchtlingslagern in der Region zurücklassen müssen, empfinden die Betroffenen häufig als schwere Belastung, die zugleich ihre Integration in Deutschland behindert. Etliche ziehen dagegen vor Gericht: Gegenwärtig sind 40.000 Klagen anhängig, in denen statt des eingeschränkten ein vollwertiger Schutzstatus gefordert wird. Zumindest in der ersten Instanz sind die Klagen in drei Viertel der Fälle erfolgreich.

Die von Asylgegnern gern kolportierte Behauptung, die von Flüchtlingen vorgelegten Dokumente seien häufig gefälscht, erweist sich ebenfalls als Legende: Von fast 500.000 Papieren, die im vergangenen Jahr durchs BAMF überprüft wurden, wiesen lediglich 2,6 Prozent Verfälschungen auf. Diese lassen allerdings keinen Rückschluss darauf zu, in wie vielen Fällen auch eine Täuschung in Bezug auf die Herkunft der Antragsteller vorliegt. Tatsächlich benötigen Flüchtlinge häufig gefälschte Dokumente, um überhaupt aus ihren Herkunftsstaaten herauszukommen.