»Staatenimmunität verletzt«

Bundesregierung empört: Bahn-Vermögen könnte zugunsten von Naziopfern eingezogen werden.

Die Bundesregierung hat vor italienischen Gerichten eine erneute Niederlage in Verfahren um die Entschädigung von Naziopfern einstecken müssen. Eine Zwangsvollstreckung deutschen Staatseigentums rückt damit näher. Die Hoffnung der Bundesregierung, der Urteilsspruch des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 2012 werde für Ruhe an der Entschädigungsfront sorgen, hat sich nicht erfüllt. Zwar hatte der IGH auf deutschen Antrag die Urteile italienischer Gerichte, die Deutschland zu Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe verurteilt hatten, als Verstoß gegen die »Staatenimmunität« bezeichnet. Aber das italienische Verfassungsgericht hielt dem zwei Jahre später entgegen, dass es für Naziverbrechen keine Immunität geben darf.

In einem Verfahren in Florenz ging es um griechische Opfer, die im Besitz rechtskräftiger – griechischer – Urteile zur Wiedergutmachung sind. Schon 1997 wurden den Angehörigen der Opfer des SS-Massakers von Distomo, bei dem 218 Zivilisten ermordet wurden, Leistungen in Höhe von rund 28 Millionen Euro zugesprochen. Eine Beschlagnahmung im Goethe-Institut in Athen, um die Summe einzutreiben, scheiterte am Einspruch des griechischen Justizministeriums. Nach EU-Recht können solche Verbindlichkeiten aber in der ganzen EU eingeklagt werden. Und so wurden auf Betreiben der Opfer sowohl auf die im deutschen Staatsbesitz befindliche Villa Vigoni am Comer See in Oberitalien als auch auf Vermögen der Deutschen Bahn AG, das aus dem Verkauf von Fahrkarten in Italien resultiert, Zwangshypotheken eingetragen. Diese wurden aber noch nicht vollstreckt.

Das könnte sich bald ändern: Ein Antrag sowohl der Bundesregierung als auch der Bahn, diese Zwangshypotheken wieder aufzuheben, ist bereits im August dieses Jahres vom Oberlandesgericht Florenz zurückgewiesen worden. In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion zeigte sich die Bundesregierung vor wenigen Tagen erkennbar gereizt: »Es handelt sich erneut um ein Urteil, das die Staatenimmunität Deutschlands verletzt«, heißt es. Bereits siebenmal hat das italienische Außenministerium in den letzten sechs Monaten der Bundesregierung Ladungen zu Gerichtsverfahren zustellen wollen. Mit sieben Verbalnoten wies diese das zurück, mit zwei weiteren protestierte sie gegen die angebliche »Völkerrechtswidrigkeit von Urteilen italienischer Zivilgerichte«.

Der nächste Schritt liegt nun bei den Naziopfern: Sie müssten vor dem Kassationsgerichtshof in Rom die Vollstreckung der Zwangshypotheken beantragen. Ihre Erfolgsaussichten wären gut, ebenso wie in weiteren 30 Klageverfahren italienischer Zwangsarbeiter und Opfer von Massakern. Das weiß auch die Bundesregierung, die sich ausdrücklich vorbehält, Italien ein weiteres Mal vor dem Internationalen Gerichtshof zu verklagen. Eines hat die Bundesregierung der Linksfrak­tion allerdings bestätigt: Die Naziopfer sind tatsächlich brutalem Terror ausgesetzt worden, und sie sind tatsächlich nie entschädigt worden. Das soll nach dem Willen der Bundesregierung offenbar auch so bleiben.

 

Hier geht´s zur vollständigen Antwort der Bundesregierung: Beschlagnahmung Vermögen DB Italien