Artikel: Verbrechen lohnen sich

BND darf weiter spitzeln

von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 22.10.2016)

Der Bundestag hat am Freitag den Bundesnachrichtendienst (BND) zur Massenüberwachung im In- und Ausland ermächtigt. Jahrelang hatte der BND rechtswidrig Telefongespräche im Ausland abgehört, E-Mails mitgelesen, Kurznachrichten gecheckt. Er hat in Europa ansässige Unternehmen ausgeforscht, und dem US-Geheimdienst NSA fleißig Daten übermittelt. All das ohne Rechtsgrundlage. Doch anstatt den Geheimdienst dafür zur Verantwortung zu ziehen, hat ihn die Bundestagsmehrheit aus CDU/CSU und SPD gestern noch belohnt: Erstens wird nicht etwa die Praxis des BND ans Gesetz angepasst, sondern das Gesetz an die bisherige Praxis. Er darf also künftig ganz legal tun, was er bisher illegal tat. Zweitens darf er noch maßloser als bisher schnüffeln. Drittens wird die parlamentarische Kontrolle noch weiter ausgedünnt.

Von den neuen Überwachungsregeln sind vor allem Ausländer im Ausland betroffen, denen das Telekommunikationsgeheimnis nun per Gesetz abgesprochen wird. Für ihre Bespitzelung genügt das windelweiche Kriterium etwaiger »Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung«. Ausnahmen gibt es keine, auch nicht für Abgeordnete, Ärzte, Anwälte oder Journalisten. Vertreter von Reporter ohne Grenzen, UNO-Sonderberichterstatter, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und selbst die von der Koalition selbst benannten Sachverständigen für die Anhörung im Innenausschuss waren sich einig: Es handelt sich hier um ein verfassungswidriges Gesetz.

Im Inland darf der BND in Zukunft auf sogenannte Internetkabelknoten zugreifen und nicht nur bestimmte Leitungen, sondern ganze Kommunikationsnetze anzapfen. Gleichzeitig fällt die bisherige Vorschrift, maximal 20 Prozent eines Datenaufkommens abzuschöpfen, ersatzlos weg. Der Weg für eine Totalerfassung der elektronischen Kommunikation ist bereitet.

 Zum Alltagsgeschäft des BND gehört auch die Auswertung sogenannter Metadaten, etwa die Nummern von Anrufern bzw. Absendern und jeweiligen Empfängern einer Nachricht, plus Standort von Handynutzern. Die werden jetzt ein halbes Jahr lang gespeichert und auch weiterhin der NSA zur Verfügung gestellt. Was dann damit passiert, ob mit den Daten etwa Killerdrohnen gefüttert werden, entzieht sich der Kontrolle.

Apropos Kontrolle: Das Gesetz regelt die Gründung eines »unabhängigen«, aber von der Bundesregierung bestellten Kontrollgremiums. Dieses wird unter anderem auch über die Suchbegriffe unterrichtet, anhand derer der BND Gesprächsinhalte auswertet. Dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages bleibt dies hingegen weiterhin verwehrt. Es wird nur »in abstrakter Form« unterrichtet. Das heißt: Die Regierung bestimmt ihre Kontrolleure künftig selbst, während die Parlamentskontrolle ausgegrenzt wird.