Einreise von Flüchtlingen entkriminalisieren!

Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.

Unerlaubte Einreise von Flüchtlingen entkriminalisieren (Drs. 18/6652)

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einerseits garantiert das Grundgesetz Flüchtlingen die Prüfung eines Asylantrages, andererseits wird gegen die Flüchtlinge aber ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise eingeleitet, wenn sie ohne Reisepass und Visum zu uns kommen, um Asyl zu beantragen.

Ich meine, man erkennt auf den ersten Blick, wie absurd diese Gesetzeslage ist. Deswegen fordern die Linken heute in ihrem Antrag, klarzustellen, dass Asylsuchende, die zu uns kommen, nicht kriminell sind, sondern völlig im Einklang mit unseren Gesetzen handeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Jedes Jahr führt die Bundespolizei Zehntausende von Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise durch. Alleine im vergangenen Jahr waren es bis August 118 000 Verfahren, und inzwischen dürften es noch einige mehr sein. Nach dem Gesetz steht darauf eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

In der Realität wird aber nur 1 Prozent der Beschuldigten tatsächlich verurteilt; denn nach internationalem Recht dürfen Asylsuchende nicht wegen illegaler Einreise belangt werden. Deswegen werden fast alle Verfahren wieder eingestellt, sobald die Beschuldigten ihren Asylantrag gestellt haben. Mit anderen Worten: Die Polizei wird vom Gesetz gezwungen, Verfahren einzuleiten, die zu 99 Prozent nur für den Papierkorb sind. Mit dieser Verschwendung der Arbeitszeit muss man – auch vor dem Hintergrund der enormen Belastung der Polizei – endlich einmal aufhören.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen einsehen: Flüchtlinge haben überhaupt keine andere Chance, als unerlaubt hier einzureisen, wenn sie Asyl beantragen wollen.

(Marian Wendt (CDU/CSU): Natürlich! Kontingente!)

Es ist deshalb doch völlig absurd, ihnen diese Einreise strafrechtlich vorzuhalten.

Ich zitiere einmal den Bundesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz. Er sagt:

Wir gewähren ein grundgesetzlich verankertes Asylrecht, haben aber so gut wie keine Möglichkeit geschaffen, damit Betroffene dieses Recht auch wirklich und auf legalem Wege in Anspruch nehmen können. Stattdessen kriminalisieren wir Asylbewerber systembedingt.

Der Vorsitzende des BDK im Bundeskriminalamt, Andy Neumann, sagt:

Die Kriminalpolizei in die Pflicht zu zwingen, Hunderttausende Vorgänge zu bearbeiten, die juristisch folgenlos bleiben und menschlich fragwürdig sind, ist angesichts der brutalen Überlastung der Polizei in Bund und Ländern ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Gewerkschaft der Polizei teilt diese Ansicht und sagt, es sei unsinnig, die unerlaubte Einreise und den unerlaubten Aufenthalt strafrechtlich ahnden zu wollen.

Es kommt wirklich selten vor, dass die Linke mit den Polizeigewerkschaften einer Meinung ist, aber hier ist das auf alle Fälle so.

Ich meine, wir sollten wirklich die Konsequenzen daraus ziehen und die unerlaubte Einreise endlich aus dem Strafrecht herausnehmen; denn Flüchtlinge sind nicht illegal hier. Wenn Sie das auch juristisch klarstellen, dann ist das ein wichtiges Signal an die Flüchtlinge und auch an unsere Gesellschaft.

Die Linke geht in ihrem Antrag noch einen Schritt weiter. Wir fordern nämlich auch die Entkriminalisierung von Menschen, die Flüchtlingen beim unerlaubten Grenzübertritt helfen; denn diese Helfer riskieren bislang eine Haftstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren. Bis Mitte September 2015 wurden 2 653 sogenannte Schleuser festgestellt.

Um es gleich klarzustellen: Es geht uns hier nicht um die bandenmäßigen Schleuser, die Leib und Leben von Schutzsuchenden aufs Spiel setzen und dafür auch zu Recht bestraft werden. Uns geht es um die aus humanitären Gründen Handelnden, um Menschen, wie beispielsweise Hanna L., der ein syrischer Christ ist, in Essen lebt und seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 270 Menschen aus seiner syrischen Heimat geholfen hat, aus der dortigen Hölle herauszukommen. Er wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und muss eine hohe Geldstrafe zahlen. Wir meinen: völlig zu Unrecht!

(Beifall bei der LINKEN – Marian Wendt (CDU/CSU): Der Richter aber nicht!)

Für uns Linke ist die Rettung von Menschen aus Not eine achtbare Tat. Menschen zu retten, ist vorbildlich. Man darf sie nicht unter Strafe stellen.

Ich weiß, Sie von der CDU/CSU werden hier vor allen Dingen gleich wieder von einer fatalen Signalwirkung sprechen. Ich will Ihnen dazu sagen, dass ich das für Quatsch halte. Wer Gründe hat, zu fliehen, bleibt nicht weg, weil es hier ein Ermittlungsverfahren wegen illegalen Grenzübertritts gibt. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, Flüchtlinge und ihre Helfer wegen angeblich unerlaubter Einreise zu kriminalisieren. Wer das will, dem geht es nur darum, seine Ressentiments gegen Flüchtlinge zu pflegen.

Wir sagen: Entlasten wir die Polizei und die Ermittlungsbehörden, entkriminalisieren wir die Flüchtlinge, nehmen wir die Asylgarantie des Grundgesetzes ernst.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

1806652 Einreise Flüchtlinge entkriminalisieren