Rede im Bundestag: Syrische Flüchtlinge zügig und unkompliziert aufnehmen

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der grausame Krieg in Syrien läuft bereits seit drei Jahren, und weit mehr als 100 000 Menschen sind ums Leben gekommen. 10 Millionen Menschen sind auf der Flucht, davon ungefähr 7,5 Millionen im Land selber auf der Suche nach Alternativen. 2,5 Millionen registrierte Flüchtlinge befinden sich in Anrainerstaaten Syriens und in Ägypten. Ich muss wirklich sagen: Es ist eine Schande, dass es bis heute nur einem Bruchteil der Flüchtlinge gelungen ist, in die Europäische Union zu kommen, um Zuflucht zu finden.
Meine Damen und Herren, an den Außengrenzen der EU treffen Flüchtlinge auf eine immer massivere und brutalere Abschottung. Die Landesgrenzen Griechenlands und Bulgariens zur Türkei wurden zum Beispiel mit Zäunen und Stacheldraht abgeriegelt. Soldaten greifen Flüchtlinge in der Ägäis auf und schaffen sie zurück in die Türkei. Wie viele Menschen die gefährliche Überfahrt über die Ägäis und das Mittelmeer nicht überleben, weiß wirklich niemand. Täglich sterben an den Außengrenzen der EU – das ist leider bittere Wahrheit – unerträglich viele Menschen. Das muss dringend beendet werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Trotz all dieser Abschottungsbemühungen haben es in den vergangenen zwei Jahren etwa 70 000 Flüchtlinge aus Syrien geschafft, in die Europäische Union zu fliehen. Gut ein Drittel wurden in der Tat in der Bundesrepublik aufgenommen. Im gleichen Zeitraum wurde gerade einmal 12 000 Menschen die Zusage für eine Aufnahme in einem EU-Staat gegeben; nur diese haben also sichere und legale Einreisemöglichkeiten. Von ihnen nimmt allein die Bundesrepublik 10 000 Flüchtlinge auf. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass sich die Bundesrepublik auf ihren Verdiensten ausruhen darf. Ein Vergleich, um sich das einfach einmal vorzustellen: Im Libanon hat es einen Bevölkerungszuwachs um 19 Prozent gegeben. Das würde für Deutschland bedeuten, dass es innerhalb von zwei Jahren einen Bevölkerungszuwachs von 15 Millionen Menschen gegeben hätte. Die Bundesregierung bzw. die Bundesrepublik kann mehr tun, muss mehr tun, und es muss vor allen Dingen syrischen Flüchtlingen schneller und unbürokratischer geholfen werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Syrische Asylsuchende, die über einen anderen EU-Staat nach Deutschland eingereist sind, geraten wirklich in die Mühlen der Asylbürokratie. Man muss sich einfach einmal vorstellen: Sie fliehen aus ihrem Land vor Krieg, sie fliehen über die Meere und gefährden ihr Leben, dann kommen sie nach Deutschland und werden mit der Dublin-Verordnung konfrontiert. Und was passiert? Als Allererstes gehen sie in Abschiebegefängnisse, weil sie überstellt werden sollen. Das ist ein Verfahren, das unbedingt abgeschafft werden muss. Deswegen fordert die Linke auch, die Dublin-Verordnung ganz schnell für syrische Flüchtlinge auszusetzen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist wirklich ein bürokratischer Irrsinn, der hier betrieben wird. Man muss wirklich an das Bundesinnenministerium sowie die Innenminister der Länder und der europäischen Staaten appellieren, dass das geändert wird.
Es ist hier schon angesprochen worden, dass viele Flüchtlinge Verwandte in Deutschland haben. Auch diesen muss unbegrenzt und unbürokratisch ermöglicht werden, dass sie von den entsprechenden Ländern aufgenommen werden und zu ihren Familien reisen können. Übrigens wäre das die schnellste und einfachste Art, den Flüchtlingen zu ermöglichen, ein Leben in Sicherheit zu führen. Daneben muss sich die Bundesrepublik auch weiterhin an humanitären Aufnahmeprogrammen des UNHCR beteiligen.
Meine Damen und Herren, auch auf EU-Ebene muss mehr getan werden. Deutschland muss Druck machen. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden Gelder in Milliardenhöhe bereitgestellt, um die Grenzen abzusichern. Wir meinen, dass die Gelder viel sinnvoller für Flüchtlinge eingesetzt wären. Das Wichtigste ist: Wir sollten nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen und endlich dafür sorgen, dass Waffenlieferungen nach Syrien, und zwar an alle Seiten, gestoppt werden.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)