Kommentar: Deutsche zuerst

Die Parteien der großen Koalition haben ein Regierungsprogramm der Abschottung beschlossen, das nicht nur höhere Mauern der Festung Europa an ihren Außengrenzen vorsieht, sondern auch die Beibehaltung der Mauern im Inland.

Ein kleines Löchlein wollen sie nun als großen Durchbruch verkaufen: Daß Menschen, die in diesem Lande geboren werden und aufwachsen, sich in Zukunft nicht mehr als junge Erwachsene entscheiden müssen, ob sie die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder die deutsche haben möchten.

Für alle anderen bleibt es dagegen bei der Forderung, sich für das eine oder das andere zu entscheiden. Deutsch oder nicht deutsch, das ist insbesondere für die Union die zentrale Frage, dazwischen darf es nichts Drittes geben. Dabei macht sie sich selbst etwas vor:

Zum einen muß schon längst kein EU-Bürger, der einen deutschen Paß beantragt, seinen bisherigen Paß abgeben, auch kein US-Bürger. Zum anderen wird der Wegfall der sogenannten Optionspflicht für Kinder langfristig bewirken, daß es auch unter »EU-Ausländern« immer mehr »doppelte« Staatsbürger geben wird. Das wird jetzt ein paar Jahrzehnte länger dauern, ist aber unaufhaltbar. Nur sich selbst gegenüber will die Union das nicht zugeben.

Der Bruch des SPD-Wahlversprechens bedeutet auch, daß noch auf Jahrzehnte hinaus Hunderttausende Einwohner Deutschlands als Bürger zweiter Klasse, ja eigentlich als Nicht-Bürger behandelt werden. Das betrifft insbesondere Migrantinnen und Migranten aus der Türkei. Ihnen bleiben als »Ausländer« wesentliche politische Rechte verwehrt. Sie waren gut genug, jahrzehntelang in häufig schlecht bezahlten, ungesunden Arbeitsbedingungen zu schuften, aber wählen dürfen sie deshalb noch lange nicht.

Dabei stand am Anfang der bürgerlich-demokratischen Epoche einst die Forderung, daß, wer Steuern zahlt, auch politisch mitbestimmen können soll.

Die Alternative zur doppelten Staatsbürgerschaft wäre, sämtlichen dauerhaft im Land lebenden Menschen die gleichen Rechte zu erteilen, unabhängig davon, welchen Stempel ihr Paß trägt. Aber so weit sind die konservativen Verwalter der Demokratie noch lange nicht. Selbst Bürgern von EU-Staaten wird gerade einmal kommunales Wahlrecht zugestanden, und wer nicht diesem erlauchten Kreis angehört, hat überhaupt nicht mitzubestimmen.

Die Deutschtümler sind auf dem Rückzug, aber es ist ein langer Rückzug, den die SPD jetzt noch länger gemacht hat. Die Rechnung dafür zahlen Hunderttausende arbeitende, steuerzahlende Einwohner dieses Landes.