Artikel: Kuschen vor Google

In der Debatte um die Aufnahmen von Häusern und Straßen durch den US-amerikanischen Internetkonzern Google zeichnet sich keine Lösung ab. Der geplante Deutschland-Start des Projekts »Google Street View« wird von Datenschützern heftig kritisiert. In zwanzig deutschen Großstädten sollen Aufnahmen gemacht und demnächst ohne Einwilligung der Mieter oder Haus­eigentümer als Ergänzung zu »Google maps« im Internet veröffentlicht werden. Die Widerspruchfristen sind mit nur vier Wochen sehr kurz bemessen. Dennoch hat der Bundesinnenminister nicht vor, dagegen gesetzlich vorzugehen.

Offenbar beugt sich die Regierung den Interessen des Konzerns, denn Google hatte sich bereits in der vergangenen Woche angesichts der Welle der Empörung zu Wort gemeldet. Der Konzern verlangte, auf Einschränkungen zu verzichten, da dies weltweite Auswirkungen haben könne und sinnvolle Projekte für die Google-Nutzer blockiert würden. Das Unternehmen verwies zudem auf seine freiwilligen Vereinbarungen mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten.

Am Montag äußerte sich Bundes­innenminister Thomas de Maizière (CDU). Er warnte vor übereilten Reaktionen. »Eine gesetzliche Regelung ist nicht unmöglich«, erklärte er in den Stuttgarter Nachrichten, aber es werde »keinen Schnellschuß« geben. Der Innenminister kündigte statt dessen an, er werde nach einer umfassenden Bestandsaufnahme »zeitnah« Lösungsvorschläge vorlegen.

Offenbar will die Bundesregierung keine speziellen Vorschriften für »Street-View« erlassen, denn schon am Wochenende hatte de Maiziere betont, es gehe um mehr als Google. »Deswegen ist der einzelfallbezogene Gesetzentwurf des Bundesrates, eine Art ›Lex Google‹, nach meiner Auffassung unzureichend«, fügte er hinzu. Auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte, mit einer »Lex Google« würde man »zu kurz springen«. Die Bundesregierung sei sich jedoch einig, daß das Datenschutzrecht ans Internet­zeitalter angepaßt werden müsse.

Der Haken dabei ist, daß umfassende Regelungen zum Datenschutz erfahrungsgemäß sehr lange dauern. Die neue Bundesregierung ist schon fast ein Jahr im Amt und hat noch kein Arbeitneh­merdatenschutzgesetz zustande gebracht, obwohl dies mehrfach angekündigt wurde. Auch eine Gesamtreform des veralteten Bundesdatenschutzgesetzes steht noch aus. Wenn die Regierung bei »Google Street View« für eine Lösung wieder so lange braucht, werden die Filmaufnahmen bald ohne Schutz für die Betroffenen ins Netz gestellt.

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hatte am Montag erneut auf eine Verlängerung der vierwöchigen Einspruchsfrist für Bürger gedrängt. Sie halte vor allem wegen der Sommerferien »eine Verlängerung der Frist für zwingend erforderlich«, sagte Aigner im Bayerischen Rundfunk. Möglicherweise wird sich auch die Europäische Union einschalten, denn auch die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding kritisierte die Widerspruchsfristen als ungenügend und sprach sich für eine Ausdehnung auf sechs Wochen aus. Google selbst hält unterdessen an der Frist fest. Sie beziehe sich auch nur auf die Einwohner der 20 größten deutschen Städte, da diese Aufnahmen bereits zum Jahresende ins Internet gestellt werden sollten, so Konzernsprecherin Lena Wagner. »Der Schutz der Privatsphäre ist uns sehr wichtig«, fuhr sie fort. »Wir arbeiten hier eng mit den Datenschutzbehörden zusammen«, so Wagner. Die Daten der Bürger, die Widerspruch einreichten, seien bei Google in sicheren Händen. Sie würden »weder verkauft, noch an Dritte weitergegeben, sondern lediglich für den Widerspruch genutzt«, sagte die Google-Sprecherin.

Die Linke im Bundestag übte unterdessen scharfe Kritik an der Bundesregierung. Die Grünen warfen der Koalition »Komplettversagen« vor. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy nannte die kurze Frist »lächerlich«. Und Heribert Prantl kommentierte in der Süddeutschen Zeitung (Montagausgabe), es gebe keinen Grund, Google mehr Vertrauen zu schenken als der Bahn, der Telekom und anderen Konzernen, die den Datenschutz mißachtet hätten.