Artikel: Schlechte Stimmung bei der Polizei

Bei einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags prangerten sie insbesondere soziale Nachteile für Beamte an. Mit der Umsetzung der Reform war im Jahr 2008 begonnen worden. Sie sollte gleichzeitig zu einer Entschlackung und einer Effizienzsteigerung führen. Es wurde angekündigt, »1000 Polizisten mehr auf der Straße« zu haben, »um den Sicherheitsgefühlen der Bürger zu entsprechen«.

Im Zuge der Reform waren unter anderem die bislang 128 Bundespolizeiinspektionen auf 77 reduziert worden, auch auf den höheren Ebenen wurden Strukturen zusammengelegt. An einem Zwischenbericht, den das Bundesinnenministerium Ende Februar vorgelegt hatte, ließen die Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Montag kaum ein gutes Haar. Sie kritisierten vor allem die sogenannten Kettenabordnungen. Um den großen Bedarf an Beamten in westlichen Bundesländern, vor allem in Nordrhein-Westfalen, und an großen Flughäfen zu decken, wo teilweise 30 Prozent Personal fehlt, werden Polizisten aus dem Osten quer durch die Republik geschickt. Die im Ministeriumsbericht proklamierte Sozialverträglichkeit, so Gerhard Megdenberg von der Bundespolizei-Kreisgruppe Weil am Rhein, sehe in der Praxis so aus, daß ein Beamter, der wegen seiner Familie heimatnah eingesetzt werde, die Hälfte des Jahres »auf Abordnung« geschickt werde. Die Beamten fehlen dann an ihren Entsendeorten. Die Zusatzkosten für Anreise und Unterkunft haben die versprochene Kostenneutralität des Reformvorhabens schon zum Scheitern gebracht.

Ein Übermaß an bürokratischen Vorgaben beklagte Roland Voss von der GdP-Direktionsgruppe Koblenz. Das Bundespolizeipräsidium habe seit Reformbeginn 160 Rahmenkonzeptionen erlassen. Neue Arbeitsprozesse und -schritte seien eingeführt worden, Aufgaben von oben nach unten verlagert, ohne hierfür entsprechend Dienstposten zu schaffen. Unter dem Stichwort »Kennzahlenfetischismus« kritisierte Voss auch Zielvereinbarungen, »in denen sich die Beamten zum Beispiel verpflichten müssen, die Anzahl der Fahndungstreffer zu erhöhen.« Dabei werde unter anderem eine Steigerung von Aufgriffen illegaler Einwanderer im Grenzbereich festgelegt. Auch Vorgaben, »verstärkt und ohne konkreten Anlaß Personen und Fahrzeuge« zu überprüfen, seien aus Sicht polizeilicher Praxis absolut unsinnig, so Voss.

Während der Zwischenbericht des Innenministeriums die Reform schönschreibt, geht er auf die Situation bei der Bahn, die seit dem Wegfall der EU-Binnengrenzen einen Schwerpunkt der Bundespolizei bildet, überhaupt nicht ein. Dabei tun sich hier gravierende Personallücken auf. Im Bereich des Berliner Hauptbahnhofs liegen die täglichen Einsatzstärken teilweise bei nur 50 Prozent des Solls. Das Fazit der Reform ist aus Sicht der GdP-Vertreter vernichtend: Es existiere »so gut wie keine Identifikation der Beschäftigten mit den Reformzielen«, bilanzierte Voss. Sein Kollege Megdenberg von der Bundespolizei-Kreisgruppe Weil am Rhein siedelte die Burn-Out-Quote bei zwischen 22 und 25 Prozent des Personals an.