Artikel: Knickt Europa wieder ein?

Im Streit um die von den USA geforderte Herausgabe von Bank-überweisungsdaten im Rahmen des sogenannten Swift-Abkommens wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Wegen der Störungen im Luftverkehr ist die Tagung der Innenminister der Europäischen Union (EU) in Brüssel von Donnerstag auf den heutigen Freitag verschoben worden. Die EU-Kommission will sich dort ein neues Verhandlungsmandat für Gespräche mit den US-Amerikanern geben lassen. Es wird allgemein damit gerechnet, daß die Minister ihr Einverständnis erklären. Auch der deutsche Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) wird sicherlich zustimmen.

Er hatte das ursprüngliche Swift-Abkommen bereits am 30. November 2009 im EU-Rat passieren lassen, obwohl im Bundestag sowohl der Koalitionspartner FDP als auch die gesamte Opposition aus Datenschutzgründen dagegen waren. Damit wurde den amerikanischen Sicherheitsbehörden Einblick in die Daten des Finanzdienstleisters »Swift« mit Sitz in den USA gewährt. Über diese Firma werden monatlich 146 Millionen Zahlungstransaktionen abgewickelt. Um sich dem Zugriff der US-Amerikaner zu entziehen, verlegte Swift seinen Sitz nach Belgien. Mit dem üblichen Totschlagsargument der »Terrorismusbekämpfung« forderten die USA daraufhin von der EU den Abschluß eines Abkommens, mit dem sie ihre Schnüffelpraxis fortsetzen konnten. Nachdem die EU-Staaten einschließlich der Bundesregierung eingeknickt waren, stoppte erst das Europäische Parlament am 11. Februar 2010 mit großer Mehrheit diesen Vertrag. Seither drängt die Obama-Administration auf ein neues Abkommen. Statt ein solches kategorisch abzulehnen, ist die EU zu Verhandlungen bereit. Allerdings muß am Ende eine Ratifizierung durch das Europäische Parlament erfolgen. Daher werden es sich heute die EU-Innenminister nicht leisten können, die Kritikpunkte aus der öffentlichen Debatte der vergangenen Monate zu ignorieren.

Es ist davon auszugehen, daß der Ministerrat heute für die Verhandlungen einige Vorgaben machen wird. Kernforderungen des Europäischen Parlaments waren beispielsweise: Anfragen der USA müssen auf einem konkreten Verdacht beruhen, und es darf keinen direkten Zugriff der Amerikaner auf die Daten geben. Sie sollen einer europäischen Justizbehörde übergeben werden. Übermittelt werden sollen nur die benötigten Informationen, keine ganzen »Pakete«, und gespeichert wird nur solange, wie die Daten für die Aufklärung des Verdachts gebraucht werden. Ferner wird verlangt, daß die Betroffenen einen Auskunftsanspruch erhalten und ein effektiver Rechtsschutz vor unabhängigen Gerichten garantiert wird. Für die Speicherung ist eine Höchstfrist vorzuschreiben. Die Einhaltung der Kriterien soll durch EU-Datenschutzbeauftragte überprüfbar sein. Schließlich müßte ein neues Swift-Abkommen kündbar sein.

Nach der heutigen Sitzung der EU-Innenminister wird man sehen, ob diese und andere Forderungen von Parlamentariern und Bürgerrechtlern in das Verhandlungsmandat einfließen, das der EU-Kommission erteilt wird. Aber selbst wenn dieser Auftrag vertretbar ausfällt, ist damit noch längst nicht klar, welches Ergebnis am Ende der Gespräche mit den US-Vertretern stehen wird. Bei allen ähnlichen Abkommen wie etwa dem über die Weitergabe von Flugpassagierdaten oder über die Zusammenarbeit in Strafsachen sind die Europäer stets eingeknickt.