Kommentar: Antizionistische Juden raus?

Doch nicht etwa Neonazis machten hier gegen den Sohn von jüdischen Holocaustüberlebenden mobil, sondern kleine hysterische Propagandatrupps wie der BAK Shalom der Linkspartei, die in bedingungsloser Treue zur israelischen Regierungs- und Kriegspolitik stehen, aber leider auch die Jüdische Gemeinde Berlin.
Deutliche Kritik an den permanenten Völkerrechtsbrüchen der israelischen Regierungen, an Krieg und Hungerblockade gegen Gaza, an der an Apartheidsstrukturen erinnernden Politik gegenüber arabischen Israelis und den Bewohnern der besetzten Gebiete ist in Deutschland ganz offensichtlich nicht erwünscht. Schließlich hat Kanzlerin Angela Merkel die bedingungslose Solidarität mit dem Staat Israel – und nicht etwa mit den weiterhin unter antisemitischen Vorurteilen und Verfolgung leidenden Juden – zur deutschen Staatsräson ernannt. Mit dem von „linker“ Seite mitgetragenen Maulkorberlass gegen Finkelstein wird gerade die deutsche Regierung aus der Schusslinie genommen, schließlich wollte der Wissenschaftler in Berlin über „die Verantwortung der deutschen Regierung an der fortgesetzten Aushungerung der palästinensischen Bevölkerung“ sprechen.
Finkelstein ist nicht das einzige jüdische Opfer solcher Hetzkampagnen. Im vergangenen Jahr traf der Bannstrahl den israelischen Historiker Ilan Pappe. Die Stadt München ließ ihm zuvor zugesagte Räume sperren. Unerwünscht ist Pappe, weil er die „ethnischen Säuberung“ Palästinas als planmäßige Vertreibungskampagne während der Gründungsphase des Staates Israel deutlich gemacht und so gezeigt hatte, dass die Wurzel des Nahostkonflikts eben kein tiefsitzender Judenhass der Araber ist.
Letztlich bestätigten diejenigen, die Auftrittsverbote antizionistischer Wissenschaftler durchsetzen, ungewollt eine der eigentlich auf die US-Politik gemünzten Kernthesen Finkelsteins. Von zionistischen Vereinigungen wurde eine regelrechte „Holocaustindustrie“ geschaffen, um unter Ausbeutung des Leides der vom deutschen Faschismus ermordeten Juden Unterstützung für die Politik des Staates Israel zu erpressen. Dem Kampf gegen den Antisemitismus haben die deutschen Zionisten mit ihrem Maulkorberlass für antizionistische Juden jedenfalls einen Bärendienst erwiesen.
Niemand muss den Thesen Norman Finkelsteins zustimmen. Aber Finkelstein ist weder ein Holocaust-Leugner oder Relativierer, noch ein Rassist noch ein Befürworter von Kolonialkriegen. Seine Motivation, sich kritisch mit der Israelischen Regierungspolitik und dem Missbrauch des Andenkens der Opfer der Shoa auseinanderzusetzen, ist eine humanistische. Sein Ziel ist ein gerechter Friede in Nahost und die Wahrung des Andenkens der Opfer der Shoa. Daher sollten sich Antifaschisten und Kriegsgegner für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit für Norman Finkelstein stark machen.

Ulla Jelpke, 22.2.2010