Rede im Bundestag: Abschiebungen nach Syrien stoppen – keine Abschiebeabkommen mit Folterstaaten!

Rede von Ulla Jelpke zum Antrag „Abschiebungen nach Syrien stoppen, Abschiebeabkommen aufkündigen“, TOP 9 der 12. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages

Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen von der CDU/CSU und der FDP! Ihr Antrag heißt: „Menschenrechte weltweit schützen“. Das bedeutet, auch vor der eigenen Haustür zu kehren und eine ehrliche Bilanz hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte in Deutschland zu ziehen. Dazu finde ich in Ihrem Antrag aber absolut nichts.
(Beifall bei der LINKEN)
Das halte ich für unehrlich.
Ich möchte heute an einem Beispiel zeigen, dass Sie mit Ländern Rückübernahmeabkommen geschlossen haben, die Menschenrechte zutiefst verletzen, nämlich am Beispiel Syrien. Dazu haben wir auch einen Antrag eingebracht. Das Rückübernahmeabkommen mit Syrien wurde geschlossen, obwohl die Bundesregierung ganz genau weiß, dass dort massive Menschenrechtsverletzungen insbesondere gegen die Kurden, die Eziden und jegliche politische Opposition stattfinden. In der Regel bedeutet das in Syrien Diskriminierung, aber auch Verschleppung, Folter, wie wir wissen, Gefängnis und Tod. Dass die Bundesregierung darüber Kenntnis hat, zeigt sich an der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken.
Sie haben ein Rückübernahmeabkommen das ist ein besseres Wort für Abschiebeabkommen geschlossen, durch das etwa 8 350 Menschen aus Syrien, die hier keinen regulären Aufenthaltsstatus haben, sowie mindestens 3 000 staatenlose Menschen abgeschoben werden sollen. Das ist wirklich ein Novum, dass man Menschen, die staatenlos sind, in ein Land zurückschickt, von dem man ganz genau weiß, dass sie dort absolut rechtlos sind, dass sie beispielsweise keinen Zugang zu Bildung oder zu den Sozialsystemen haben, dass auch die Kinder keine Bildungschancen haben. Das bestätigt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage, die ich bereits angesprochen habe. Trotzdem ist dieses Abkommen weiterhin in Kraft.
Es ist erst wenige Tage her, dass der Menschenrechtler Mustafa Ismail, der syrisch-kurdischer Herkunft ist, in Syrien verschleppt wurde. Es gibt eine entsprechende Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker, worin aufgerufen wird, Solidarität zu üben.
Ich möchte noch zwei weitere Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit nennen, die zeigen, dass Menschen nach ihrer Abschiebung – Abschiebungen gab es auch schon vor dem Rückübernahmeabkommen – an der syrischen Grenze festgenommen wurden. Am 1. September wurde ein Kurde festgenommen. Weil er in Deutschland Asyl beantragt hatten, wurde ihm vorgeworfen, „falsche Informationen über Syrien“ verbreitet zu haben. Im Oktober dieses Jahres wurden eine 55-jährige Witwe und ihre vier Kinder zwischen 19 und 22 Jahren inhaftiert und verhört. Die Bundesregierung sagt dazu, dass es nur eine Befragung über wenige Stunden gegeben habe. Das halte ich für einen absoluten Skandal, da man doch weiß, dass diese Menschen tage- und wochenlang inhaftiert werden. Es handelt sich um Menschenrechtsverletzungen vonseiten der syrischen Regierung.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte noch einige Bemerkungen zu den Staatenlosen machen. In den 60er-Jahren sind durch die Arabisierungspolitik des Baath-Regimes Menschen ausgebürgert worden. In Syrien leben 200 000 staatenlose Kurden und doppelt so viele staatenlose Palästinenser. Wenn die Menschen hier bei uns einen Asylantrag stellen, wird ihnen zum Vorwurf gemacht, dass sie nicht ausreichend bei ihrer Identitätsfeststellung mitwirken, weil sie keine Pässe und keine Ausweisunterlagen besitzen. Deswegen werden ihre Asylanträge häufig abgelehnt. Auch da muss im Asylrecht, was die Menschenrechte betrifft, etwas verändert werden. Man kann nicht so tun, als seien unsere Gesetze vollkommen in Ordnung. Hier bestehen Lücken, und es muss daran gearbeitet werden, ein Asylrecht zu schaffen, das diesen Menschen Schutz vor den Ländern gewährt, die die Menschenrechte verletzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Jelpke, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Ich komme gleich zum Schluss. Der Höhepunkt ist für mich, dass Syrien – auch das weiß die Bundesregierung – weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch internationale Abkommen zum Schutz von Staatenlosen unterzeichnet hat.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Jelpke!
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Mein allerletzte Punkt: Menschen in ein Land abschieben zu wollen, das diese Abkommen noch nicht einmal unterzeichnet sind, ist nicht hinzunehmen. Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp und die sofortige Aussetzung des Rückübernahmeabkommens mit Syrien.
Ich danke.
(Beifall bei der LINKEN)

Hier zum download der Antrag der LINKE-Fraktion:

1700237_Abschiebungen_stoppen.pdf