Rede im Bundestag: Der Staat will seine Überwachungskompetenz noch weiter ausbauen

Sehr geehrte Damen und Herren,
Herr Präsident,

Als Ziel des Gesetzentwurfes führt die Bundesregierung an, die Finanzquellen des internationalen Terrorismus auszutrocknen. Hierzu wird das Geldwäschegesetz vollkommen neu gefasst und die Terrorismusfinanzierung der Geldwäsche gleichgestellt. Das Grundanliegen, dem internationalen Terrorismus seine finanziellen Grundlagen zu entziehen, mag dem naiven Betrachter durchaus begrüßenswert erscheinen.

Aber: nicht zum ersten Mal soll der Krieg gegen den Terrorismus dazu dienen, Grundlagen einer freiheitlichen Gesellschaft weiter auszuhöhlen.
Der Gesetzentwurf baut praktisch den kompletten Bereich der Finanzdienstleistungen und -unternehmen in die neue, repressive und freiheitsfeindliche Sicherheitsarchitektur Deutschlands ein. Von 12 Kategorien von Finanzdienstleistern und der damit verbundenen Berufe wie Rechtsanwälten wird verlangt, ihre Kunden zu überwachen und ihre Geschäftsbeziehung aus der Sicherheits- und Strafverfolgungsperspektive zu dokumentieren.
Das privatrechtliche Verhältnis der Parteien wird zu einem nicht mehr staatsfreien, das Vertrauensverhältnis von Anfang an zerstört.
In die Berufsfreiheit bzw. Privatautonomie der Verpflichteten wird massiv eingegriffen: So müssen beispielsweise in bestimmten Fällen Geschäfte von den Vorgesetzten der Vertragspartner genehmigt werden. Die Finanzdienstleister werden sogar gezwungen, Verträge zu kündigen oder Vertragsabschlüsse zu unterlassen, wenn die staatlich gewünschten Informationen nicht erhoben werden können.
Die Nachforschungen müssen heimlich erfolgen (§ 12) und es besteht eine Anzeigepflicht gegenüber den staatlichen Behörden. Die künftige Superbehörde BKA erhält durch ihre Zuständigkeit als Datensammelstelle noch mehr informationelle Macht.

Wie durch die Vorratsdatenspeicherung Telefonunternehmen zu „Ermittlungshelfern“ wurden, werden Finanzdienstleister jetzt zu Anti-Terror-Einheiten.

Nur am Rande: Wie soll denn ein Bankangestellter in der Lage sein, „Tatsachen“ festzustellen, „die darauf schließen lassen“, dass eine Transaktion der Terrorismusfinanzierung dient, wenn noch nicht einmal klar ist, ob beispielsweise eine ausländische Organisation nun als legitime politische Vereinigung, Befreiungsbewegung oder Terrorbande gilt und sich diese Kategorien ja mitunter schnell ändern können, wie das Beispiel der afghanischen Islamisten zeigt?

Die Linke ist sehr dafür, wirkliche Geldwäsche zu bekämpfen und die bislang im Ausland versteckten Milliarden zu versteuern. Wir wollen auch, dass Anschläge verhindert werden. Das ist in einem Rechtsstaat aber ausschließlich die Aufgabe staatlicher Behörden, die bei Vorliegen eines Anfangsverdachts oder einer konkreten Gefahr ermitteln müssen. Private Unternehmen sind für den Service an ihren Kunden da, nicht für die Bekämpfung und Bespitzelung derselben.
Das bestehende Geldwäschegesetz knüpft an einen strafrechtlichen Tatbestand an, der verfassungsrechtlich höchst bedenklich ist und ist daher bereits im Grundsatz mehr als fragwürdig. Die Erweiterung zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung knüpft nicht einmal zwingend an strafrechtlich relevante Verhaltensweisen an. Ein rechtmäßiges Verhalten wird somit zum Anknüpfungspunkt für Überwachungsmaßnahmen und etwaige Strafanzeigen.
Auch soweit strafrechtlich relevantes Verhalten betroffen ist, wie die Finanzierung von Taten nach § 129a, auch in Verbindung mit 129b, wissen wir doch aber, dass Terrorismus ein Gummibegriff ist und es gerade beim § 129b praktisch keine Grenzen mehr gibt. Wer einmal auf der Terrorliste der UN gelandet ist, hat keinerlei Rechtsbefehle, und daran lassen sich keine rechtsstaatlich sauberen Regelungen anknüpfen.

Das Gesetz hat weitere Schwachstellen.

Erstens: Die Banken sollen ermitteln, ob ein Geschäftskunde eine „exponierte politische Person“ ist, was bis zum Offizier einer fremden Streitmacht geht.
Zweitens: Dass Strohmänner aufgedeckt werden sollen, ist zu begrüßen, aber ob es praktikabel ist, bei jeder Rechtsgesellschaft jeden einzelnen Gesellschafter unter Angabe von Dokumenten zu ermitteln, unabhängig von den Stimmrechtsanteilen, ist zweifelhaft.
Drittens: Genauso ist es nicht unbedingt sinnvoll, als wirtschaftlich Berechtigte im Falle von Stiftungen „die Gruppe von natürlichen Personen, zu deren Gunsten das Vermögen hauptsächlich verwaltet oder verteilt werden soll“ zu bezeichnen. Man denke nur mal daran, was das im Falle etwa der Aktion Mensch bedeuten würde.

Der Bundesregierung ist es also entgegen ihrer Ankündigung nicht gelungen, praxisgerechte und maßvolle Regelungen für die Verpflichteten, also Banken, Kreditinstitute und andere, zu schaffen. Noch weniger ist es ihr gelungen, Maß bei ihrer Datensammelwut gegenüber den Bürgern zu halten. Die Fraktion DIE LINKE. lehnt die Bestrebungen der Bundesregierung, die Privatwirtschaft im Krieg gegen den Terrorismus zu verpolizeilichen, ab.