Kommentar: Onlinedurchsuchungen: Halber Schritt voran

Zwar hat nicht nur der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz einen Dämpfer erhalten, sondern die ganze CDU-Riege in der Bundesregierung. Sie hat stets gefordert, das NRW-Modell auf Bundesebene zu übertragen, allen voran, wie immer, wenn es um den Ausbau des Überwachungsstaates geht, Innenminister Wolfgang Schäuble.

Und wie man jetzt sieht: Sie haben damit nichts weniger gefordert als einen eindeutigen Verfassungsbruch. Man kann die Gelegenheiten kaum mehr zählen, bei denen die Bundesregierung und ihre Verbündeten in den Ländern im Zeichen des Kontrollwahns die Grundrechte über den Haufen werfen wollen. Persönlichkeitsrechte, Datenschutz, Unschuldsvermutung, Intimsphäre, politische Freiheiten – all das soll, geht es nach Schäuble und Co., hinter die von ihnen selbst definierte Staatsräson zurücktreten. Gezielte Tötung angeblicher Terrorverdächtiger, totale biometrische Erfassung der Bevölkerung, Speicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten – die verfassungswidrigen Forderungen überschlagen sich, eine Gesetzesverschärfung jagt die nächste. Wer noch etwas auf Grundrechte gibt, wird mit dem Vorwurf überzogen, mit Terroristen zu sympathisieren. Man kommt kaum noch damit hinterher, Klagen vor dem Verfassungsgericht einzureichen.

Die Erfahrung mit diesen Klagen zeigt: Die Überwachungsfanatiker müssen sich von den obersten Bundesgerichten immer häufiger bremsen lassen – was jedoch nicht bedeutet, sie auch ein für allemal gestoppt werden. Schäuble forderte am Mittwoch postwendend, jetzt erst recht und so schnell wie möglich ein Gesetz durchzusetzen.

Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hat am selben Tag ein neues Grundrecht auf die Vertraulichkeit der eigenen Computersphäre postuliert. Das ist zweifellos ein Erfolg gegen die Big-Brother-Gemeinde von Union, SPD und Teilen der FDP. Aber: Kein Grundrecht ohne Einschränkung. So wie die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Telekommunikationsgeheimnis, die freie Meinungsäußerung usw. ist auch die neue Computerfreiheit nicht grenzenlos. Sobald sich ein Staatsanwalt und ein Richter finden, die »überragend wichtige Rechtsgüter« gefährdet sehen, dürfen die Bundestrojaner auf die feindliche Festplatte losgelassen werden. Die Gefährdung von »Leib, Leben und Freiheit der Person« oder der »Bestand des Staates« sind aber nach Ansicht der Sicherheitshardliner allgegenwärtig. So ist die gestern getroffene Entscheidung nur eine Teilniederlage für die Kontrollfraktion. Onlinedurchsuchungen sind jetzt erlaubt, wenn auch längst nicht so ausufernd wie geplant. Ein Schritt vor, ein halber zurück.