Rede auf antifaschistischer Kundgebung in Unna am 1. Dezember 2007

Heute trommelt die neofaschistische NPD zum Jul-Fest. So heißt nach altgermanischer Sprechart das Weihnachtsfest. Ein Fest des Friedens und der Nächstenliebe wird diese braune Weihnacht allerdings nicht. Denn wie schon die letzten Jahre soll Nazi-Barde Frank Rennicke auftreten. Dieser Sänger ist einer der übelsten Stimmungsmacher der extremen Rechten. Zwar bescheinigt ihm selbst das rechtsgerichtete Blatt Junge Freiheit „textliche und musikalische Schwächen“. Doch unter Neofaschisten erfreut sich der Barde größter Beliebtheit, weil er ausspricht, was sie denken. Offen glorifiziert er die Soldaten der Nazi-Wehrmacht als Helden und Adolf Hitler als Friedensengel und Polen als „Beschmutzer deutscher Erde“. Mehrere Produktionen Rennickes wurden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert und Rennicke wegen Volksverhetzung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Rennicke ist auch Gründungsmitglied des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“, also einem Club professioneller Antisemiten.

Besinnliche Weihnachtsklänge sind von diesem Sänger heute kaum zu erwarten. Vielmehr wird wohl wieder gegen Migranten, Homosexuelle, Juden und Linke gehetzt.

Doch unsere heutige Kundgebung richtet sich nicht nur gegen diese Naziweihnachtsfeier. Wir wollen diesen Anlass nutzen, um generell auf die wachsenden faschistischen Umtriebe im Kreis Unna und in Nordrheinwestfalen hinzuweisen.

Gerade in Nordrheinwestfalen versuchen Neofaschisten verstärkt eine Verankerung zu finden. Nach Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und anderen ostdeutschen Gebieten zielen sie jetzt auf die Eroberung des Ruhrgebiets. Ähnlich wie in Ostdeutschland leiden auch hier besonders viele Menschen unter den Folgen der neoliberalen Regierungspolitik, unter De-Industrialisierung, Massenentlassungen, hoher Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Angesichts dieser kapitalistischen Verheerungen präsentieren sich die Neofaschisten als Vertreter der sozial Schwachen. Ihre Rezepte sind die alten: Das Problem der Massenarbeitslosigkeit sei von der Masseneinwanderung nicht zu trennen, behauptet auch die NPD in Unna auf ihrer Website. Arbeitsplätze nur für Deutsche lautet ihre rassistische Scheinlösung. Was bitte haben die Manager und Aktionäre von Siemens, Telekom, Airbus und andere Konzernen, die im großen Stil Arbeitsplätze vernichten, mit Flüchtlingen und Migranten zu tun? Das ist rassistische Demagogie übelster Sorte. Dagegen müssen wir als Linke unsere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität setzen. Denn für uns verlaufen die Grenzen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten.

Auch hier in Unna haben die Faschisten bereits ihre Infrastruktur. Hier ist ein NPD-Kreisverband aktiv, hier halten die Nazis Schulungen ab und verteilen die rassistische Schulhof-CD.

Wir müssen verhindern, dass sich braune Schläger als Wölfe im Schafspelz, als biedere Bürger tarnen. Mitte November wollte die NPD in der Gaststätte Braumeister in Kamen im Kreis Unna eine Schulung durchführen. In derselben Gaststätte fand bereits im August eine Veranstaltung mit dem bekannten Naziführer Christian Worch statt. Die Wirte hatten damals gegenüber der Presse versichert, die NPD haben von nun an Hausverbot. Das war offenbar nicht ernst gemeint, denn NPD-Kreisverbandssprecher Hans-Jochen Voß konnte problemlos die Gaststätte für die Schulung im November anmieten. Allein die Präsenz von Antifaschistinnen und Antifaschisten konnte die Nazischulung verhindert werden. An solche Erfolge gilt es bei der antifaschistischen Arbeit anzuknüpfen.

In Dortmund wurden in diesem Jahr mehrfach linke Parteibüros, Kneipen und die Wohnungen bekannter Antifaschisten von Neonazis mit Steinen, Farbbeuteln und Drohplakaten attackiert und Menschen auf der Straße angegriffen. Doch der Bürgermeister und die Polizei ignorieren, leugnen und verharmlosen die rechtsextreme Gewalt. So, als am 1.Mai in Dortmund die Polizei Nazidemonstranten trotz massiver antifaschistischer Proteste mit städtischen Bussen zu ihrem Aufmarschplatz brachte. Für die Neonazis musste das wie eine Einladung wirken, in Zukunft öfter über Dortmund herzufallen.

Ungestört kann auch das Collegium Humanum im nordrheinwestfälischen Vlotho arbeiten. Dieses rechtsextreme Bildungszentrum hat sich insbesondere der Leugnung des Holocaust gewidmet. Es ist ein Skandal, dass dieses Zentrum nicht nur ungestört arbeiten kann, sondern dabei auch noch als steuerbegünstigt anerkannt ist.

Ermutigt werden Rechtsextreme auch durch Unionspolitiker, die in gute und schlechte Ausländer unterteilen. Wer mit Kampagnen wie „Kinder statt Inder“ Stimmung macht, muss sich nicht wundern, wenn am Ende Inder durch die Straßen gejagt werden wie vor einigen Monaten in der sächsischen Kleinstadt Mügeln. Diesen Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft gilt es genauso zu bekämpfen, wie den offenen Rechtsextremismus der Neonazis.

Immerhin wird in diesem Herbst wieder verstärkt über ein Verbot der neofaschistischen NPD diskutiert. Dies ist auch ein Verdienst der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten. Die VVN-BdA hatte bis zum 9.November 175.000 Unterschriften für ein NPD-Verbot gesammelt. Ein NPD-Verbot würde den Nazis ihre Finanzierung aus Steuergeldern entziehen. Vor allem nimmt es ihnen den Nimbus der Legalität in den Augen ihrer Wähler und Sympathisanten.

Selbst führende Sozialdemokraten wie SPD-Chef Kurt Beck, Berlins Innensenator Erhart Körting und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck fordern inzwischen ein neues Verbotsverfahren. Zu befürchten ist allerdings, dass es sich dabei nur um billigen Stimmenfang handelt.

Denn die vom Bundesverfassungsgericht bei der Einstellung des ersten Verbotsverfahrens im Jahr 2003 eindeutig genannte Bedingung für ein erfolgreiches Verbotsverfahren der NPD wäre der Abzug aller Spitzel des Verfassungsschutzes aus den Gremien der NPD.

Die SPD war bisher nicht bereit, diese Bedingung konsequent zu erfüllen. Als die Linksfraktion im Mai einen Antrag „V-Leute in der NPD abschalten“ in den Bundestag eingebrachte, hat die SPD ihre Zustimmung verweigert. SPD-Chef Kurt Beck hält den Einsatz von V-Leuten sogar für „unverzichtbar“ um Informationen über die Rechtsextremen zu bekommen.

Ich fragte mich: wo waren denn diese Informationen bisher? Die Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Linksfraktion zum Thema Rechtsextremismus waren jedenfalls eine Mischung aus Oberflächlichkeiten, Ignoranz und Verharmlosungen. Jede Antifagruppe weiß besser über die Entwicklungen innerhalb der NPD und der rechtsextremen Szene Bescheid, als der Verfassungsschutz.

Oft genug sind V-Leute in den Naziparteien sogar überzeugte Nazis – faschistische Hetzer auf Kosten der Steuerzahler sozusagen.

Verfassungsschutzspitzel haben die Naziszene in NRW mit Waffen versorgt. Es gibt auch deutliche Hinweise, dass Michael Berger, der vor sieben Jahren in Dortmund drei Polizisten erschossen hat, ein Spitzel des Verfassungsschutzes war.

Auch beim Prozess gegen die rechtsextreme Dortmunder Band Oydoxie / Weiße Wölfe behinderte die Tätigkeit von V-Leute die Aufklärung. Dreimal musste ein Verfahren verschoben werden, weil das Innenministerium seinen V-Leuten keine Aussageerlaubnis gab. Schließlich endete das Verfahren mit einem Freispruch gegen die Mordhetzerband.

Einem V-Mann hier in NRW wird unter anderem die Beteiligung an einem bewaffneten Raubüberfall vorgeworfen. Doch immer wieder wurde er von seinem V-Mann-Führer vom Verfassungsschutz vor Fahndungsmaßnahmen der Polizei gewarnt. Innenminister Wolf persönlich verhindert jetzt, dass die Bielefelder Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen dieser Kumpanei des Verfassungsschutzes mit dem kriminellen V-Mann eröffnen kann.

Indem Innenminister Wolf solche Praktiken des Verfassungsschutzes deckt, macht er sich mitschuldig an der rechtsextremistischen Entwicklung hier im Ruhrgebiet.

Mit einem baldigen Verbot der NPD können wir unter solchen Umständen kaum rechnen. Vor allem dürfen wir bei der Verbotsforderung nicht stehenbleiben. Vielmehr müssen wir selber aktiv werden. Überall dort, wo – wie hier in Unna – die Neonazis aufmarschieren, ihre Konzerte und Schulungen abhalten oder die rassistischen Schulhof-CDs verteilen, müssen sie mit massivem Widerstand aus der Bevölkerung, von Antifaschistinnen und Antifaschisten, Demokratinnen und Demokraten konfrontiert werden. Es kann keinen Platz für Rassismus, Antisemitismus und Faschismus geben, denn Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!