Stellungnahme: Kehrtwende nach rechts

Der Parteibildungsprozeß der Linken brauche »neuen Schwung«, hatte Lothar Bisky auf der ersten gemeinsamen
Sitzung der Bundesvorstände von Linkspartei und WASG am vergangenen Sonntag angemahnt. Wohl wahr. Ob
allerdings die auf selbiger Sitzung verabschiedeten Dokumente, insbesondere das beschlossene Programmpapier,
geeignet sind, solcherart »neuen Schwung« auszulösen, darf bezweifelt werden. Zu befürchten ist eher das
Gegenteil.
Denn was machte den »Schwung« aus, der das Projekt einer neuen gemeinsamen Linken zunächst über Monate
getragen hat? Was stand hinter den Hoffnungen, die mit ihm verbunden waren, Hoffnungen, die einige tausend
Menschen zu neuem politischen Engagement motivierten und immerhin vier Millionen dazu, uns bei der
Bundestagswahl ihre Stimme zu geben? Weshalb war dieser Erfolg bei keiner der nachfolgenden Wahlen im Osten
wiederholbar, die vielmehr zu einer Abfolge von Stimmverlusten wurden – mit dem bisherigen Tiefpunkt: der
Wahlkatastrophe von Berlin?

Divergierende Ziele

Es spricht viel dafür, daß die Ursachen für diesen Abschwung nicht einfach nur in den vielbeschworenen »Mühen der
Ebenen« liegen, sondern in der Art und Weise, wie sich der Prozeß der Parteineubildung seither gestaltet, und in der
Ausrichtung, die ihm zumindest einige der Akteure geben wollen. Denn inzwischen ist unübersehbar, daß das
gemeinsame Vorhaben der Bildung einer neuen Partei von sehr unterschiedlichen Absichten getragen war und ist:
Während die einen – darunter viele aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften oder der Friedensbewegung – eine
neue Linke wollen, um gesellschaftlichen Widerstand und Aufbegehren zu stärken, scheinen andere die neue Partei
vor allem deshalb anzustreben, um im parlamentarischen Mehrheitskalkül der Bundes-SPD endlich ein relevanter
Faktor für Regierungsbildung zu werden. Aus derart divergierenden Zielen folgen grundlegend unterschiedliche
Politikkonzepte: Während sich die Bundestagsfraktion unter dem Einfluß Oskar Lafontaines mit Forderungen nach
Verstaatlichung der Energienetze, nach politischen Streiks oder mit der deutlichen Ablehnung von Auslandseinsätzen
der Bundeswehr vom neoliberalen Mainstream klar und glaubwürdig absetzt (was durch unverändert gute
bundespolitische Umfragewerte auch honoriert wird), ist dieser unangepaßte und widerständige Kurs eben jenen ein
Dorn im Auge, für die die neue Partei einen ganz anderen Zweck erfüllen soll: eine Regierungsbeteiligung im Bund an
der Seite der SPD. Dazu wollen sie sich von den als Makel empfundenen Bindungen der Vergangenheit ebenso
endgültig lösen wie von bestimmten inhaltlichen Positionen, die sich in der PDS – allem realpolitischen Pragmatismus
zum Trotz – als unaufkündbar erwiesen hatten, und die solcherart bundespolitischen Ambitionen bisher einen Riegel
vorschoben.
Man sollte sich hüten, diese Auseinandersetzung auf eine zwischen der Linkspartei und der WASG zu reduzieren. In
der Mitgliedschaft dürften in beiden Parteien die Anhänger eines linken Kurses überwiegen, während solche, die
einfach endlich ankommen wollen, nicht nur in den Gremien der Linkspartei, sondern auch der WASG zu finden sind.
Ausgetragen wird dieser Konflikt über die Frage einer weiteren Regierungsbeteiligung in Berlin, über den unsäglichen
Leitantrag zum Landesparteitag in Sachsen-Anhalt und insbesondere über die Programmatik. Als im Frühjahr dieses
Jahres der »Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei«– auch »Manifest« genannt – aus der Feder Lafontaines
mit den Unterschriften führender WASG- und PDS-Politiker und Politikerinnen erschien, gab es begründete Hoffnung,
die Bildung einer neuen Linken könnte tatsächlich zu einer programmatischen und politischen Linksverschiebung –
anstatt zur Aufgabe von Positionen – führen. Das »Manifest« war ganz sicher kein marxistisches, aber es war ein im
besten Sinne linkssozialistisches Programm mit eindeutig antineoliberaler und ansatzweise antikapitalistischer
Ausrichtung. Zentrale Positionen waren: Eine deutliche Ablehnung der kapitalistischen Globalisierung samt der mit
ihr einhergehenden imperialistischen Kriege, die Benennung ihrer Ursachen und treibenden Interessen sowie die
Solidarisierung mit linken Regierungen Lateinamerikas. Die Orientierung der Partei auf ein sozialistisches Ziel,
untersetzt durch eine klare Positionierung in der Eigentumsfrage, also die Forderung, daß »Schlüsselbereiche der
Wirtschaft und der Daseinsvorsorge« in »öffentliche Eigentumsformen überführt werden« müssen. Die Formulierung
von Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligung. Und schließlich – auch das ist keine Nebensache – war das
»Manifest« in einer Sprache verfaßt, in der die Kapitalismuskritik tatsächlich lebte, statt in lieblos-kaltem
Politikerdeutsch wegzusterben.

SPD rechts überholt

Umso größer ist der Rückschritt, den die jetzt vorgelegten »Programmatischen Eckpunkte« bedeuten. Sie nehmen
nicht allein nahezu alle genannten Positionierungen des »Manifests« zurück, sondern stehen in wesentlichen Fragen
rechts vom Chemnitzer PDS-Programm.
Am offensichtlichsten ist dieser Rückschritt in der essentiellen Frage des gesellschaftspolitischen Ziels der Partei.
Während die meisten PDS-Mitglieder ihre Partei immer als sozialistische verstanden haben und eine
programmatische Aufgabe dieser Zielsetzung nie ernsthaft zur Debatte stand, reduziert sich das Ziel der neuen
Linken nach den »Eckpunkten« auf »einen politischen Richtungswechsel«. Zwar wird vermerkt, daß für »viele von
uns« die Orientierung auf den demokratischen Sozialismus eine wichtige Sache sei. Aber über das programmatische
Profil der Partei entscheidet nicht, was »viele von uns« irgendwie wichtig finden, sondern wie das Programm die
Ziele der Partei definiert. Mit den »Eckpunkten« ist dieses Profil jedenfalls kein sozialistisches mehr.
Nun mag mancher einwenden, daß ein Wort im Programm einer Partei sie noch lange nicht zu einer sozialistischen
macht. Insonderheit, wenn sie gleichzeitig in Landesregierungen Zehntausende Wohnungen verkauft und drastische
Einschnitte ins soziale Netz vertritt. Auch die SPD hat den demokratischen Sozialismus nach wie vor in ihrem
Programm stehen. Dort ist unter anderem formuliert, daß »die neue und bessere Ordnung, die der Demokratische
Sozialismus erstrebt, eine von Klassenschranken befreite Gesellschaft (ist)«, die »durch Abbau von Privilegien und
Vollendung der Demokratie erreicht« werden soll. Die Partei hatte allerdings keine Probleme damit, dieses
Bekenntnis mit einer Politik der Agenda 2010 und der Hartz-Verbrechen zu verbinden. Richtig ist auch, daß in der
PDS mit dem Begriff »Demokratischer Sozialismus« sehr unterschiedliche politische Strategien verbunden wurden
und werden. Beispielsweise warben auf der Erfurter Sitzung der beiden Parteivorstände einige PDS-Vertreter für die
Aufnahme des Begriffes »Demokratischer Sozialismus« ins Programm, weil sich gerade in ihm der »antistalinistische
Gründungskonsens« der PDS verkörpere; der Begriff »demokratischer Sozialismus«, argumentierten sie, stehe für die
Abkehr von der Vergangenheit und den Übergang zur sozialdemokratischen Tradition.
Tatsächlich ist der Begriff des »demokratischen Sozialismus« ambivalent. Auf ihn zu verzichten, bedeutet allerdings
nicht, die Ambivalenz in Richtung eines konsequent sozialistischen Profils aufzuheben, sondern jeglichen Bezug zu
antikapitalistischen Zielen auszulöschen. Und wenn auch das Ziel des Sozialismus im Programm als solches ganz
sicher nicht vor neoliberaler Politik bewahrt. Welche Politik sollen die Menschen erst von einer Partei erwarten,
deren Gründungsakt darin besteht, die SPD programmatisch rechts zu überholen?
Sämtliche Umfragen belegen, daß angesichts der täglichen Erfahrung realkapitalistischer Barbarei die Idee einer
sozialistischen Gesellschaft heute weit populärer ist als noch vor zehn oder gar 15 Jahren. 73 Prozent der jungen
Ostdeutschen bejahen einer repräsentativen Umfrage zufolge, daß der Sozialismus »eine gute Idee [ist], die nur
schlecht ausgeführt wurde«. 45 Prozent unterstützen sogar die Position: »Ein reformierter, humanistischer
Sozialismus wäre mir lieber als die gegenwärtige politische Ordnung«. Nur 24 Prozent sind explizit anderer Meinung.
Die Zahlen mögen im Westen etwas anders sein, aber selbst wenn statt der Hälfte nur ein Drittel oder ein Fünftel
pro-sozialistische Ansichten formuliert – wenn wir diese Menschen bei Wahlen erreichen könnten, wäre das ein Vielfaches unserer derzeitigen Ergebnisse! Sich in einer solchen Situation vom Ziel des Sozialismus zu verabschieden,
statt es endlich wieder laut und hörbar in die öffentliche Debatte zu bringen, würde die Mobilisierungsfähigkeit und
Ausstrahlungskraft der neuen Linken schwächen. Angesichts der Bedingungen des heutigen globalisierten
Kapitalismus stoßen antineoliberale Forderungen schnell an Grenzen, wenn dabei nicht auch die Frage nach Macht
und Eigentum gestellt wird. Eine konsequente antineoliberale Politik muß deshalb die Perspektive einer grundlegend
anderen Gesellschaftsordnung in die Debatte bringen, wenn sie glaubwürdige Alternativen für eine solidarische
Gesellschaft anbieten will. Eine Linke, die darauf verzichtet, wird nicht mobilisierungsfähig sein.

Geschichtsverfälschung

Der Umgang der »Eckpunkte« mit der Geschichte des osteuropäischen Sozialismus paßt zu dieser Wende zum
Kapitalismus-Konformen. Obwohl auch in der PDS eine Totalverurteilung des Vergangenen immer wieder angestrebt
wurde, war sie nie durchsetzbar. Die übergroße Mehrheit der Mitglieder kann aufgrund eigener Lebenserfahrung den
Unterschied zwischen DDR-Wirklichkeit und antikommunistischem Zerrbild ganz gut beurteilen. So wird die
Legitimität des ostdeutschen Sozialismusversuchs im Chemnitzer Programm der PDS immerhin durch folgende Sätze
anerkannt: »Die antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und das spätere Bestreben,
eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten, standen in berechtigtem Gegensatz zur Weiterführung des Kapitalismus
in Westdeutschland, der durch die in der Menschheitsgeschichte unvergleichbaren Verbrechen des deutschen
Faschismus geschwächt und diskreditiert war. Zur Geschichte der DDR gehören bemerkenswerte Ergebnisse und
wertvolle Erfahrungen im Kampf um soziale Gerechtigkeit, um die Bestimmung der Ziele der Produktion im Interesse
der Bevölkerung, um die Teilhabe breiter Bevölkerungsteile an Bildung und Kultur und um ein solidarisches und
friedliches Gemeinwesen auf deutschem Boden.« In den »Eckpunkten« wird zwar den »Versuchen einer Überwindung
der kapitalistischen Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse« allgemein ebenfalls »Anerkennung« gezollt. Ansonsten
aber finden sich Passagen, die den mindesten Ansprüchen historischer Seriosität nicht genügen. Das beginnt damit,
daß die in den sechziger und siebziger Jahren sich entwickelnde »weltweite, vor allem ökonomische Krise« als erstes
den »schwerfälligen Planwirtschaften des Staatssozialismus« in die Schuhe geschoben wird, deren Wachstumsraten
»stark« gesunken seien. Nun soll die Schwerfälligkeit einer überzentralisierten Form der Wirtschaftsführung nicht
bestritten werden; nur war es just die Anerkennung dieses Umstands, die etwa in der DDR der sechziger Jahre zum
Reformprogramm des Neuen Ökonomischen Systems führte, in dessen Ergebnis Wachstumsraten erzielt wurden, die
über denen der Bundesrepublik lagen und von denen die heutigen Industriestaaten nur träumen können. Richtig, der
Reformversuch wurde von der Sowjetunion nie unterstützt und auch in der DDR– mit schwerwiegenden
Konsequenzen– 1971 abgebrochen. Aber das ändert nichts daran, daß Stagnation, Massenarbeitslosigkeit und
beginnende Aufblähung der Finanzsphäre in den Siebzigern Erscheinungen einer kapitalistischen Akkumulationskrise
waren, für die weder der Ölpreisanstieg noch die sozialistischen Planwirtschaften verantwortlich zeichnen.
In schlimmer Gleichsetzung sprechen die »Eckpunkte« anschließend von den »Herrschenden in Ost und West«, die
»Bewegungen für mehr Freiheit, Solidarität und Demokratie … bekämpft und wiederholt mit Waffengewalt
niedergeschlagen« hätten. In einer vorherigen Fassung stand noch genauer, was damit gemeint war: Pinochets
blutige Konterevolution mit zehntausendfachem Mord und Folter auf der einen und die Niederschlagung des »Prager
Frühlings« auf der anderen Seite. Die unglaubliche Geschichtsverfälschung, die hinter einem solchen Vergleich steht,
paßt zum Zeitgeist unserer Tage, aber ganz sicher nicht ins Programm einer Partei, die eine linke sein möchte.
Nur nebenbei sei bemerkt, daß die kommunistische Bewegung als eine der Traditionslinien der Partei im Chemnitzer
Programm immerhin noch auftaucht. In den »Eckpunkten« ist nur noch allgemein von den
»Emanzipationsbewegungen der Arbeiterinnen und Arbeiter« die Rede.

Antikriegsposition aufgeweicht

Rechts von der bisherigen PDS-Beschlußlage sind die »Eckpunkte« auch in der Friedenspolitik: Auf ihrem Parteitag in
Münster im Jahr 2000 hatte die Partei den Beschluß gefaßt, UN-mandatierte Militärinterventionen unter Berufung
auf Kapitel VII der UN-Charta und eine deutsche Beteiligung an ihnen abzulehnen. Dieser Beschluß war
wohlbegründet: Während Kapitel VI der UN-Charta klassische Blauhelmeinsätze der UN nach einem Waffenstillstand
von Konfliktparteien umfaßt, sind unter Berufung auf Kapitel VII auch Kampfeinsätze möglich. Man muß sich hierbei
darüber im klaren sein, daß es der UN-Sicherheitsrat ist, der über UN-Mandatierungen entscheidet und
beispielsweise die NATO, die EU oder auch eine sogenannte Koalition der Willigen mit ihrer Durchsetzung betraut.
Da alle ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats über ein Vetorecht verfügen, wird niemals ein UN-Militäreinsatz
gegen die Zustimmung der USA stattfinden. Auch die mit UN-Signum stattfindenden Militärinterventionen sind
Ausdruck der bestehenden globalen Machtverhältnisse und dienen nur allzu oft der Durchsetzung und Flankierung der
eigenen ökonomischen und strategischen Interessen. Die geradezu inflationäre Zunahme der UN-Militärmissionen
spiegelt diese verfehlte Großmachtpolitik fatal wider.
Darüber hinaus geht es um die Erbringung des Beweises der Fähigkeit zur weltweiten militärischen Machtprojektion.
Mit der zunehmenden Beteiligung an UN-Militärinterventionen soll der Anspruch auf Weltgeltung erhoben werden.
Dies gilt nicht zuletzt auch für Deutschland, das über eine verstärkte Teilnahme an internationalen
Militärinterventionen seinen Anspruch auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat untermauern möchte. Eine
Zustimmung zu Militärinterventionen nach Kapitel VII käme somit einer Aufkündigung des friedenspolitischen
Anspruches der Partei gleich.
Die Sorge, daß es dazu kommen könnte, ist nicht unbegründet. So haben im Vorfeld der Verabschiedung der
Eckpunkte im Parteivorstand der Linkspartei.PDS lediglich zwei Vorstandsmitglieder einen Antrag auf Aufnahme
einer Formulierung in die Eckpunkte unterstützt, die UN-mandatierte Kampfeinsätze explizit ausschließt. In der
jetzt veröffentlichten Fassung fehlt somit auch eine eindeutige Positionierung in dieser Frage. Nur sehr allgemein
wird formuliert, daß »die Bundeswehr nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden (darf)«.
Schlimmer noch als diese undeutliche Formulierung sind die Nachbemerkungen: Hier wird ganz unverhohlen die
Frage gestellt, ob denn »internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter Kontrolle der UN zu einer friedlichen
Entwicklung beitragen« können – und wenn ja – »unter welchen Bedingungen«. Zur Begründung dieser Frage wird
gern auf die WASG verwiesen, die dazu noch keine klare Position habe. Doch von dieser Seite war im Vorfeld kein
Widerstand gegen eine konsequente Antikriegsposition signalisiert worden. Und in einzelnen Landesverbänden der
WASG – beispielsweise in Niedersachsen – gibt es bereits klare Positionierungen gegen jeden Militäreinsatz der
Bundeswehr.
Tatsächlich ist die Frage somit nichts anderes, als ein weiterer der zahlreichen Versuche, diesen entscheidenden
friedenspolitischen Grundsatz im neuen Programm endlich aufzuheben. Die damit verbundene Schwächung der
neuen linken Partei und die massiven Glaubwürdigkeitsverluste– allen voran in der Friedensbewegung – werden
ignoriert oder sogar bewußt in Kauf genommen. Das Ziel ist auch hier die Regierungsfähigkeit der neuen Partei im
Bund. Mit einer Position, die UN-mandatierte Kampfeinsätze grundsätzlich ausschließt, ist derzeit schließlich mit
keiner Partei eine Koalition möglich.
Einen weiteren deutlichen Rückschritt – zwar nicht hinter das Chemnitzer Programm, aber hinter den mit dem
»Manifest« bereits erreichten Diskussionsstand – bedeuten auch die Ausführungen zur Frage der
Regierungsbeteiligung. Das »Manifest« fordert, daß die Linke »nur unter Beachtung ihrer Grundsätze Koalitionen mit
anderen Parteien« eingeht – und es formuliert zumindest drei konkrete Bedingungen für Regierungsbeteiligung:
»Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht privatisiert werden. Der Personalabbau in Bund,
Ländern und Gemeinden muß generell gestoppt und ebenso die Kürzung sozialer Leistungen verhindert werden.« Die
»Eckpunkte« dagegen bleiben vollständig im Vagen: »Maßstäbe für Regierungsbeteiligungen sind die Verbesserung
der Lage von Benachteiligten und die Verstärkung politischer Mitbestimmung, die Errichtung von Barrieren gegen die
neoliberale Offensive, die Durchsetzung alternativer Projekte und Reformvorhaben. Sie muß die Veränderung der
Kräfteverhältnisse nach links und die Einleitung eines Politikwechsels befördern.« Das ist hinreichend unverbindlich,
um am Ende jedwede Politik für programmkonform erklären zu können.
Wenn die neue Linke die Hoffnungen einlösen möchte, die sehr viele in sie gesetzt haben und viele immer noch
setzen, dann muß sie vor allem eines sein: glaubwürdig. Die PDS war dies–insbesondere, aber nicht nur, aufgrund
ihrer Politik im Berliner Senat – immer weniger. Will die neue Linke verlorene Ausstrahlung zurückgewinnen, setzt
das linke sozialistische Programmpositionen ebenso voraus wie eine konsequente Haltung zur Frage von Krieg und
Frieden und eine klar antineoliberale Politik auf allen Ebenen. Eine programmatische Kehrtwende nach rechts ist das
letzte, was wir für eine starke linke Partei brauchen. Noch ist es nicht zu spät, sie zu verhindern!