Rede im Bundestag: Einführung des Digitalfunks für Sicherheitsbehörden – handwerklich schlecht, verfassungsrechtlich bedenklich

Anrede,

der Gesetzentwurf der Bundesregierung wirft mehr Fragen auf als er beantwortet. DIE LINKE hat keine Einwände dagegen, dem zivilen Katastrophenschutz moderne Kommunikationsmittel in die Hand zu geben, aber so, wie von der Regierung hier beabsichtigt, darf es nicht gehen.

Wir haben zum einen verfassungsrechtliche Bedenken: Artikel 73 des Grundgesetzes gibt dem Bund nur die Hoheit für Post und Telekommunikation und meint damit die Massenkommunikation. Er meint aber nicht den Polizeifunk, um den es ja hier geht. Der Bund maßt sich hier also zu viel Kompetenzen an. Der saubere Weg wäre gewesen, das Grundgesetz zu ändern, aber dafür hätten Sie wohl keine Mehrheit bekommen.

Ein gangbarer Weg wäre auch gewesen, die bereits bestehende Bundesnetzagentur mit der Einrichtung des Digitalfunks zu beauftragen. Stattdessen soll es nun eine Bund-/Länder-Misch-Anstalt geben, die unsere Verfassung nicht kennt.

Wir haben aber auch sachliche Bedenken.

Der Bund soll 50 Prozent des Netzes, das so genannte Rumpfnetz, einbringen. Das läuft darauf hinaus, die Länder im Bereich Sicherheit zu bevormunden. Sie sollen bezahlen, aber nicht mitreden. Der Gesetzentwurf sieht für den Streitfall zwischen Bund und Ländern nicht mal ein Quorum vor, mit dem die Länder ihre Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte wirksam ausüben können. Dennoch werden die Länder mitmachen, weil die Alternative lautet, auf die Einführung moderner Technik zu verzichten. Vogel friss oder stirb, lautet die Devise.

Diese Vorgehensweise ist nicht einmal sachdienlich. Ziel der ganzen Angelegenheit soll ja ein bundesweit einheitliches Digitalfunknetzwerk sein. Von der Absicht eines europaweiten Netzes hat man sich schon lange verabschiedet.

Hat sich die Bundesregierung schon Gedanken gemacht, was passiert, wenn einige der Länder eines Tages feststellen, dass ihnen das Geld für das Projekt ausgeht? Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich schließlich auf über sieben Milliarden Euro. Soll sich ein Land, das dafür keine Gelder mehr hat, dann aus der Bundesanstalt zurückziehen? Soll es weiße Flecken im Funknetzwerk geben oder wie stellt sich die Bundesregierung das Vorgehen dann vor?
Auf keine dieser Fragen gibt das Gesetz keine Antwort.

Anrede,

schon vor einiger Zeit hat die Bundesregierung zugesichert, den Entwurf einer Satzung zu präsentieren. Davon hat der Bundestag bis heute nichts gesehen. Das Gleiche gilt für das Finanzierungskonzept.
Überhaupt geht die Regierung mit unangemessener Geheimniskrämerei vor. Die Bedenken, die ich angesprochen habe, wurden auch gestern in der Sitzung des Innenausschusses nicht ausgeräumt.

Paragraph 15 des Gesetzes ermächtigt die Bundesanstalt zu weit reichenden Eingriffen in die Grundrechte, so sollen bei „rechtswidrigen Streiks“ diejenigen Einrichtungen, die für den Betrieb des Digitalfunks „von Bedeutung sind“, auch gewaltsam gestürmt werden können.

Anrede,

Ich dachte beim ersten Lesen, ich sehe nicht recht: Das ist ein Klassenkampf-Paragraph, wie er im Lehrbuch des Frühkapitalismus stehen könnte.
Was soll das denn heißen, „rechtswidrige Streiks“? Wer definiert das? Muss ein Gerichtsbeschluss vorliegen, oder reicht es schon, wenn der Präsident der Bundesanstalt der persönlichen Auffassung ist, ein Streik sei rechtswidrig?

Und welche Betriebe sind überhaupt gemeint? Nicht nur solche, die für den Digitalfunk notwendig sind, sondern auch solche, die „von Bedeutung“ sind, heißt es. Aber was bedeutet das? „Von Bedeutung“ für geregeltes Arbeiten ist auch, dass morgens mein Bäcker geöffnet hat! Wollen Sie da in Zukunft auch die Polizei in die Backstube schicken, wenn der mal streikt?

Anrede,

ich finde es eine Unverschämtheit, diesem Parlament einen solchen Gummiparagraphen vorzulegen. DIE LINKE wird dem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.

Rede_060601_Digitalfunk.pdf