Pressemitteilung: Polizei darf dem Demonstrationsrecht nicht im Wege stehen!

Schon die „kick-it“-Demonstration am Freitagabend wollten die vermeintlichen Ordnungshüter nicht störungsfrei ziehen lassen. Die Demo richtete sich gegen Kommerzialisierung, Kontrolle und Repression anlässlich der Fußball-WM und war als sportlich-phantasievolles Happening angemeldet. Die Polizei bewies dabei, dass sie nicht nur keinen Spaß versteht, sondern auch wenig vom Demonstrationsrecht hält: Zwei Polizisten kamen auf einen Demonstranten, alle paar Minuten wurde der Demonstrationszug grundlos aufgehalten, bei den Vorkontrollen am Potsdamer Platz geriet den übereifrigen Beamtinnen und Beamten auch eine völlig unbeteiligte Touristin in die Mangel und wurde erst einmal festgenommen.

Ähnliches wiederholte sich bei der Demonstration gegen Sozialabbau am Samstagnachmittag: Auch dieser Protestmarsch war immer wieder Angriffen von Polizeibeamtinnen und -beamten ausgesetzt. Wir haben unter anderem selbst gehört und beobachtet, wie sich einige von ihnen verabredet haben, in die Reihen der Demonstrantinnen und Demonstranten einzudringen „und ein paar rauszuholen“. Auch darüber hinaus hat die Polizei von Anfang an auf Gängelei und Behinderung gesetzt und die Demonstrierenden nach Strich und Faden schikaniert. Nun behauptet der Polizeibericht – ohne auch nur einen einzigen Beleg dafür zu nennen! – dass einige Personen innerhalb der Demonstration Straftaten vorbereitet hätten. Wir weisen diese Behauptung zurück. Was wir am Wochenende erleben mussten, war vielmehr, wie die Polizei selbst Straftaten begeht, und zwar gleich in doppelter Hinsicht:

Erstens sind wieder einmal einige Polizisten völlig ausgerastet und haben wahllos auf Demonstrierende eingeprügelt. In der Sonntagsausgabe der Berliner Morgenpost ist ein solcher Übergriff fotographisch dokumentiert. Wir können uns jetzt schon vorstellen, dass die Polizei Ermittlungen gegen diesen Beamten aufnehmen wird – und wie diese Ermittlungen im Sand verlaufen werden. Das Gleiche haben wir schon im vergangenen Oktober erlebt, als die Demonstration gegen den Zapfenstreich von der Polizei aufgehalten wurde und ein Zivilpolizist eine wilde Prügelorgie startete. Dabei wurde er von Journalisten gefilmt. Seither wird ermittelt. Der immer wieder beschworene Grundsatz, auf Straftaten solle ein zügiges Strafverfahren folgen, gilt offensichtlich bei Polizisten nicht. Handelt es sich bei den Schlägern vielleicht doch nicht um „Einzeltäter“, sondern um gezielt eingesetzte Provokationen, mit denen der Protest gegen die sozialen Grausamkeiten der Regierenden kriminalisiert werden soll?

Genau so schwer wiegt die Verletzung des Versammlungsrechtes: Beide Demonstrationen am Wochenende waren angemeldet und nicht verboten, die Auflagen wurden eingehalten, die Demonstrierenden waren friedlich. Trotzdem hat sich die Polizei den Demonstrationen buchstäblich an jeder Ecke in den Weg gestellt. Sie hat versucht, Transparente, auf denen mitnichten zu Straftaten aufgerufen wurde, zu beschlagnahmen, und ist dabei mit bekannter Gewalttätigkeit vorgegangen. Auch Reizgas wurde eingesetzt. Wenn die Polizei solche Angriffe auf die Demonstration unternimmt, dann greift sie damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit selbst an.

Wir hatten am Wochenende den Eindruck, die Polizei wollte schon einmal die Auseinandersetzung mit Hooligans üben. Einen Anlass dafür haben die Demonstrantinnen und Demonstranten nicht geliefert.

Von einem rot-roten Senat erwarten wir, dass er scharf dagegen vorgeht, wenn die Polizei Anstalten macht, den Ausnahmezustand auf Berlins Straßen zu etablieren! Solche Machtdemonstrationen sind schlicht illegal. Die Einführung der Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten ist längst überfällig. Und es wäre die Aufgabe von Innensenator Ehrhardt Körting, seine eigenen Bekundungen für eine Politik der Deeskalation ernst zu nehmen. Es darf nicht zugelassen werden, dass die Polizei das Versammlungsrecht aushebelt.

Ulla Jelpke
Nele Hirsch
Bundestagsabgeordnete der Fraktion DIE LINKE

Für Rückfragen: Ulla Jelpke, Tel. 0171-531 33 40

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